rank und schlank und rattenscharf
nicht, Kira von der Leine zu lassen. Sie würde bestimmt nicht weit vorlaufen und ich könnte sicherer laufen, aber trotzdem. Der Mann im Pilgerbüro hat mich ja gewarnt.
Willi ist weg, auf und davon. In diesem unwegsamen Gelände ist er ohne Hund ganz klar im Vorteil. Auf den ursprünglichen Weg kann ich auch nicht zurück. Da ist ebenfalls kein vorwärtskommen möglich, da fließt mittlerweile ein kleiner Bach.
Schließlich komme ich aus dem Wald und sehe das Kloster von Roncesvalles. Von weitem kann ich die Häuser erkennen, aber Willi sehe ich nicht. Ein kleiner Fluss trennt mich noch vom Kloster. Ich gehe über eine Brücke und setze mich erstmal auf eine Holzbank. Ziehe meine Schuhe aus und reibe meine Zehen, die fürchterlich schmerzen. Nach diesen morgendlichen Strapazen muss ich mich hier erst einmal einen Moment erholen, bevor ich weiter zum Kloster laufen kann. Ich bin völlig fertig nach diesem Abstieg bei diesen Bodenverhältnissen. Kira ist genauso geschafft. Das war vielleicht ein Matsch und Dreck! Ich sehe schon nach einem Tag so verdreckt aus, als sei ich bereits Wochen unterwegs! Von einem Extrem ins andere. Das Wetter meint es wirklich nicht gut mit uns.
Ich sitze eine ganze Weile, ein Pilger nach dem anderen kommt aus dem Wald. Auf einmal taucht auch Christian auf und setzt sich neben mich auf die Bank. „Wo ist denn Willi?“ — „Keine Ahnung, auf einmal war er weg.“ — Wir unterhalten uns über die Ereignisse der letzten Nacht: „Ich habe mit anderen Pilgern in der Herberge zusammen gesessen und Geige gespielt“, erzählt Christian. „In der Hütte war der Sturm auch spürbar, aber bei weitem nicht so gewaltig, wie Ihr ihn erlebt habt.“ — Die Hütte lag nur wenige hundert Meter tiefer von dem Ort, wo wir übernachtet haben.
Jetzt kommt auch Willi angelaufen und setzt sich zu uns. Er war schon am Kloster. Wir gehen gemeinsam los und erreichen das erste Gebäude. Hier gibt es was zu essen und trinken. — „Kannst Du mir was holen?“ — Willi geht hinein ins Restaurant und holt mir ein Baguette und einen Kaffee. Ich teile mein Baguette mit Kira, die seit gestern auch nichts mehr gegessen hat.
Hier parken mehrere Reisebusse, die Touristen und Tagespilger transportieren. Vor dem Restaurant stehen viele Leute. Ein Mann fragt mich, ob er ein Foto von Kira und mir machen darf. Ich bin hier der einzige Pilger mit Hund und allein dadurch ein begehrtes Fotomotiv. Ich stimme einem schnellen Foto zu. Kira wird unruhig, daher will ich diesen Ort so schnell wie möglich verlassen.
Willi und ich laufen zusammen weiter und kommen ins nächste Dorf, Auritz (Burguete). Heute ist Sonntag, alles ist wie ausgestorben, die Straßen sind menschenleer. Hier gibt es bestimmt nichts zu essen und unsere Wasserflaschen sind schon wieder leer. Willi spricht einen Mann in Spanisch an: „Würden Sie uns unsere Wasserflaschen auffüllen?“ — Er nimmt unsere Flaschen und bringt sie nach wenigen Minuten voll zurück. — „Gracias.“
Wir laufen durch dieses gottverlassene Nest und finden eine Bar. Sie ist offen und wir können uns in den Schatten der Bäume setzen und etwas trinken, aber zu essen gibt es leider nichts. In unserer Nähe spielen viele Kinder, deshalb kann ich meine Aufmerksamkeit nicht nur auf unser Gespräch richten, sondern muss auf Kira achten. Zwei Jungen sind damit beschäftigt, mit Stöcken einen Gecko zu jagen. Dieser verkriecht sich vor lauter Angst vor den Stockhieben immer wieder hinter unseren Rucksäcken. Wir versuchen die beiden durch eine energische Ansprache und Handzeichen von ihrem Vorhaben abzuhalten, ihm was anzutun. — „Sind die blöd? Die sollen endlich aufhören und das Tier jetzt in Ruhe lassen.“ — Willi spricht sie in spanisch an, jedoch ohne Erfolg. Schließlich kippen unsere Rucksäcke um und nun haben sie es geschafft: Mit dem Stock haben sie dem Gecko den Schwanz abgeschlagen. Dieser zappelt jetzt ohne Körper und sie geben noch keine Ruhe. Sie lachen und der Gecko verschwindet in einem Kellerschacht. Willi sagt: „Das ist hier völlig normal in Spanien, keine Achtung vor der Kreatur.“ — „Hilfe, und ich habe Kira dabei! Nun kann ich die Leidenschaft am Stierkampf verstehen. Die werden von Kind an damit groß!“
Wir brechen nach einer langen Pause wieder auf und wollen noch bis zum nächsten Ort laufen. Vielleicht gibt es dort etwas zu essen?
Wir verlassen das Dorf und es liegt noch in Sichtweite, da hören wir, dass sich schon
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