rank und schlank und rattenscharf
wieder ein Gewitter anbahnt. Wir haben keine Chance umzukehren, um ins Dorf zurücklaufen, also müssen wir sofort unsere Zelte aufbauen. Zuerst nehmen wir die Rucksäcke ab, drücken uns gegenseitig den Stacheldraht des Weidezaunes herunter, reichen uns gegenseitig unsere Rucksäcke über den Zaun und laufen im Zickzack über die Wiese. Überall sind Kuhfladen.
„Burghard, sollen wir auf die gegenüberliegende Wiese gehen, die ist vielleicht besser?“ — „Dafür haben wir keine Zeit mehr, Willi. Ich bleib hier.“ — Das Gewitter ist zu schnell da. Noch bevor wir die Zelte aufgebaut haben, sind wir schon wieder nass bis auf die Haut. Es schüttet wie aus Kübeln und ich liege wieder völlig chaotisch mit Hund und Rucksack in meinem Zelt, aber diesmal richtig herum. Ich bin völlig platt und es ist viel zu eng mit Kira und Rucksack. Als erstes binde ich meine Isomatte los und rolle sie unter größter Anstrengung liegend aus. Ich liege schon wieder auf einer total zerknitterten Matte. Genauso zerknittert wie gestern Abend. Ich schaffe es einfach nicht, mich hochzudrücken und sie gleichzeitig auszurollen. Das muss man vorher machen, im liegen geht das einfach nicht. Ich ziehe mein nasses Hemd, Hose, alles liegend aus und krieche in den ausgerollten Schlafsack.
Es regnet jetzt schon über eine Stunde ununterbrochen und langsam wird der Regen etwas weniger. Willi ist aus seinem Zelt herausgekommen und will noch mal zurück nach Auritz laufen. „Burghard, hast Du auch noch Hunger?“ — „Na klar habe ich Hunger!“ — Ich habe die letzten zwei Tage so gut wie nichts gegessen. — „Sollen wir noch mal zurücklaufen und schauen, ob wir in diesem Nest doch noch was zu essen bekommen?“ — „Willi, ich steh’ nicht mehr auf! Ich bin restlos fertig, ich bleibe liegen.“ — „Dann gehe ich allein.“
Nach einer Stunde kommt er zurück. Ich schlafe schon fast, als er kommt. „Da gibt es nichts, ich habe nichts zum essen gefunden.“ Wir schlafen mit knurrenden Mägen ein.
Am nächsten Morgen sind die ersten Pilger schon früh unterwegs. Unsere Zelte stehen nur zehn Meter vom Weg entfernt und sind für jeden gut sichtbar. Ich stehe als erster auf und blicke auf eine Wiese, die von Kuhfladen übersäht ist. Durch den heftigen Regen sind sie alle aufgeweicht. Es ist kaum möglich, auch nur eine Stelle zu finden, wo man hintreten kann, ohne mit Kuhscheiße in Berührung zukommen. Willi schläft noch und ich fange schon mal an zu packen. Ist das eine Kacke hier, alles was ich anpacke, ist voller Kuhmist! Das ganze Zelt ist mit Kuhscheiße voll gespritzt! Keinen Tropfen Wasser, kein Schwamm, kein Papier, nichts, womit man etwas abputzen könnte. Toll! Wie soll ich das bloß sauber bekommen?
Ich bin fast fertig, da steckt Willi seinen Kopf heraus. „Nee, Nee, Nee, was ist das hier eine Scheiße.“ — „Ich habe Dir gestern gesagt, lass uns auf die andere Wiese gehen.“ — „Meinst Du etwa, da wären keine Kuhfladen gewesen? Außerdem hatten wir keine Minute Zeit mehr, das Gewitter war viel zu schnell da.“ — Wir verlassen die Wiese auf dem schnellsten Weg und reihen uns in die vorbeiziehenden Pilger ein. Ich habe Kira an der Leine, es sind viele Leute unterwegs.
Willi hat heute Morgen einen schnellen Pilgerschritt drauf und ist schon nach wenigen Minuten auf und davon. Ich kann ihm nicht folgen, laufe mit Kira in einer langsameren Geschwindigkeit hinterher und werde von einer blonden deutschen Pilgerin mit Zopf überholt.
Ich komme in ein kleines Dorf, es heißt Erro. Vor einer Bar sitzen viele Pilger und machen ihre erste Kaffeepause. Einen Kaffee und etwas essen könnte ich jetzt auch. Da sitzt auch die blonde Frau von vorhin, sie spricht mich an und bietet mir einen Stuhl an. Von weitem frage ich sie, ob sie einen Mann mit Zopf gesehen hat. Sie sagt ja, er sei vor einiger Zeit weiter gelaufen. — Das war Willi. — „Wie lange ist er wohl schon weg?“ — „Vor ein paar Minuten ist er gegangen.“ — Ich setze mich gar nicht erst hin, sondern gehe weiter durch die kleinen Straßen und finde am Ortsausgang einen kleinen Lebensmittelladen. Das ist es, was ich jetzt brauche: etwas Essbares. Es ist Montagmorgen und ich habe in den letzten Tagen so gut wie nichts gegessen. Hier besorge ich mir nun Lebensmittel und Getränke im Überfluss. Erste Lektion, die ich hier gelernt habe: Hier ist kein ständig griffbereiter Kühlschrank wie Zuhause. Also immer essen und trinken, wenn was da
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