rank und schlank und rattenscharf
will, ist mein Akku fast leer. Schade, hier ist vieles verfallen und trotzdem sehenswert.
In Foncebadon gehe ich dahin, wo alle Pilger hingehen: In die einzige Bar. Ich binde Kira an meinen Rucksack, gehe hinein und bestelle einen Kaffee und eine Cola light. Als ich bezahle, höre ich Kira wütend bellen und muss sofort raus. Was ist denn bloß los? — Ein kleiner Hund ist gekommen und dessen Anwesenheit nervt sie tierisch. Ich mache erst einmal die Leine vom Rucksack, doch dabei rutscht sie mir aus der Hand und Kira geht sofort auf den kleinen Fiffi los. Der hat nichts anderes zu tun, als sofort laut winselnd das Weite zu suchen. Aber es dauert gar nicht lange, da kommt er schon wieder. Er hat sich Verstärkung geholt und gleich zwei weitere Hunde mitgebracht. Das ist aber unfair! Die zwei sind auch noch doppelt so groß wie Kira! — Also gibt es hier doch diese beschriebenen wilden Hunde. Ich versuche, uns mit lautem Brüllen und Drohgebärden diese beiden Gesellen vom Leib zu halten. Vor dem Kleinen habe ich keine Angst, aber vor den großen mächtigen Schiss. Ich habe keine Ahnung, wie man damit umgeht und auf solch eine Situation richtig reagiert. Kira fletscht die Zähne, knurrt, bellt und hat den alleinigen Anteil daran, dass sie verschwinden. Sie sind genau so schnell weg, wie sie gekommen sind.
Soll ich noch schnell einen Kaffee trinken? Zwar sind die Hunde wieder weg, doch es sind mittlerweile zu viele Pilger hier, die beunruhigen mich.
Wir laufen weiter nach Manjarín, wo ich den Wiener wieder treffe. Der ist ganz in Ordnung, etliche Jahre jünger als ich und hat eine angenehme, offene Art. Es ist noch früh am Tag. Ich frage ihn: „ Sollen wir ein Bier zusammen trinken, ich gebe eins aus!“ — „Ich trinke keinen Alkohol.“ — „Willst Du denn ein Wasser?“ — „Das ist OK.“ In dieser alternativen Enklave geht es zu wie im Theater. Ich weiß gar nicht, wo ich zuerst hinschauen soll. Das ist vielleicht eine Sippe! Hier kann man sogar übernachten. Ich frage mich, wer will denn hier freiwillig übernachten? Die sehen teilweise aus, als ob es Bier bereits zum Frühstück gibt. Oder die haben was geraucht.
Dieser Ort hat was Faszinierendes an sich, und wenn ich allein unterwegs wäre, ohne Hund, würde ich mich bestimmt noch länger hier aufhalten. Schlafen wollen würde ich hier nicht. Aber dieses Schauspiel könnte ich noch stundenlang beobachten, das ist eine Welt für sich. Alle sind hier cool drauf, doch ich muss weiter, außerdem will ich Kira nicht länger warten lassen. Sie habe ich abseits von diesen Freaks angebunden.
Ich gehe wieder auf den Weg und schon bald begegnet mir ein Pärchen. Der Mann spricht mich im Vorbeilaufen in Englisch an: „Ist Dein Hund Dein Freund?“ — „Yes.“ — Er erklärt mir, dass er auch einen neun Jahre alten Hund hat und Hunde sehr mag. — „Mein Hund ist leider zuhause, in Brasilien.“ — Diesmal ein Pilgerpaar aus Südamerika, davor Asien, Skandinavien, Neuseeland. Ist ja sagenhaft, wo die alle herkommen! — Er wünscht mir einen guten Weg.
Nach wenigen Metern wird der Weg schmaler und eine Frau kommt mir entgegen. Sie hat auffällig blondes, hochgestecktes Haar, ist sehr hübsch, attraktiv, vielleicht mein Alter. Ich nehme Kira kurz und warte, damit sie an uns vorbeilaufen kann. Was mir an ihr noch auffällt: Sie hat einen bunt bemalten Pilgerstab, den sie quer vor sich herträgt. Ich denke, der Stock passt zu ihr. Sie ist die erste die ich sehe, die einen farbigen Pilgerstock hat. Sie fragt mich in Englisch: „Kommst Du aus Deutschland?“ — „Yes.“ — „Dann können wir uns besser in Deutsch unterhalten.“ — „Warum läufst Du in die entgegengesetzte Richtung?“ — „Ich gehe den Jakobsweg nun bereits zum dritten Mal, diesmal in die andere Richtung.“ — „Mein lieber Mann, was für eine Leistung!“ — Von wo nach wo, ganz oder teilweise, diese Frage bleibt unbeantwortet. „Ich wünsche Dir alles Gute und einen Buen Camino.“
- „Wünsche ich Dir auch.“
Mein Weg wird bald zu Ende sein, oder auch nicht. Ich bin schon wieder müde und lege mich hinter Sträucher im Halbschatten ins hohe Gras und schlafe genau zwei Stunden. Erst als Ameisen mich wecken, komme ich langsam wieder bei. Ich springe auf, schüttle die Störenfriede von meiner Isomatte und gehe unverzüglich los. Im kleinen Ort Acebo kaufe ich in einem Laden ein. Es ist Samstagnachmittag. Welche Ladenöffnungszeiten haben die hier eigentlich? Oft
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