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rank und schlank und rattenscharf

rank und schlank und rattenscharf

Titel: rank und schlank und rattenscharf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burghard Pohl
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ich lande nach hundert Metern in einem schönen Gartenrestaurant. Hier darf Kira auch rein! Wir sind erst einmal allein, doch nach einer halben Stunde kommen zwei deutsche Frauen und setzen sich an den Nebentisch. Eine von ihnen habe ich heute bereits im Supermarkt gesehen und ihre Freundin sagt zu mir: „Ich habe schon von Ihnen gehört.“ — „Von mir?“ — „Mir sagte jemand, das ein Pilger mit Hund unterwegs ist, so etwas spricht sich schnell herum.“ — Wir unterhalten uns von Tisch zu Tisch. Eine der Frauen will nach dem Essen direkt ins Bett, sie ist hundemüde. Mit ihrer Freundin unterhalte ich mich noch eine ganze Weile. Wir reden über meinen Freund Willi, Eric aus Finnland, Christian aus Berlin. Christian soll noch hinter ihnen sein, somit hat er dieses mörderische Tempo von Willi nicht mithalten können, das hätte mich auch gewundert. Er war bereits 70 Tage unterwegs, als wir ihn am ersten Tag in den Pyrenäen getroffen haben. — Sie will jetzt auch schlafen gehen, denn morgen wollen sie um 6.00 Uhr los laufen. Ich trinke noch mein drittes Bier aus und schreibe. — Habe eine SMS von Willi bekommen:
     
    Muß mir heute Nacht mein Zimmer mit sechs Spanierinnen teilen.
     
    Ich schreibe zurück: Hallo Willi, was machst Du gerade mit den sechs Spanierinnen? Tanzt Ihr gerade Flamenco?
     
    Er ist auf Empfang und antwortet: Die sind gerade bummeln, getanzt wird hier nicht, ich höre denen nur zu, die reden wie doll.
     
    Ich schreibe zurück: Mach mal von den Mädels ein Foto. Seine letzte Antwort für heute: Foto vielleicht. Glaub’s halt, i lüg net, nu geh was essen, a guate, Willi.
     
    Ich habe wieder meine Akkus laden lassen. Sie sind voll, genauso voll wie ich. Nach drei Bier habe ich richtig einen in der Kirsche und bekomme noch einen Stempel vom Wirt in mein Tagebuch. Er drückt mir den Stempel auf die letzte Seite meines Tagebuches.
     
    Auf einem Pfeil steht der Hinweis „Santiago de Compostela noch 245 km“. Also bin ich bis hier schon mehr als fünfhundert Kilometer gelaufen. Den Rest habe ich mit dem Taxi zurückgelegt. Kira läuft vor mir und ich torkle gemächlich hinterher. Eine dreiviertel Stunde laufen wir in der Abenddämmerung und ich werde langsam wieder nüchtern. Ich muss mein Zelt gleich aufbauen. —
    In der Nacht muss ich zweimal zum pieseln raus, das war doch wieder ein Bier zu viel. Mitten in der Nacht zweimal aus dem Zelt zu kriechen, ist nicht der Brüller. Stockduster, unheimlich und mit zusätzlichen Anstrengungen verbunden. Ich ziehe meine lange Hose mitten in der Nacht aus. Heute ist es nicht so kalt wie in der letzten Nacht. Liegt das am Bier? — Um zwei Uhr habe ich schon den Schlaf aus und höre außer Hundegebell nur unheimliche Geräusche. Ich setze meinen Kopfhörer auf; höre lieber Musik als diese furchterregenden Geräusche, die aus einem Hitchcock-Film stammen könnten. — Mehrmals in der Nacht muss ich Luft in die Thermarest-Matratze pusten. Sie verliert ständig Luft; wenn ich es nicht mache, bricht mir das Kreuz.
    Um 8.00 Uhr erwache ich aus dem Halbschlaf und höre Pilger, die mit ihren Stöcken klappern. Ich beschließe, sofort aufzubrechen, um das geplante Etappenziel vor den Bergen zu erreichen. — Nach einer Stunde sitze ich bereits wieder und muss meine Socken wechseln. Ich setze mich an einen Steintisch am Ortseingang von Santa Catalina de Somoza und schreibe schnell einige Zeilen ins Tagebuch. Mittlerweile dürften alle Pilger mit Kaffee abgefüllt sein, es kommen nur noch wenige.
    Ein Stück weiter steht ein alter Mann und verkauft Jakobsmuscheln. Da ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Jakobspilger zu erkennen bin, möchte ich mir jetzt eine kaufen. Viele Santiagopilger haben schon länger ihre Muschel an den Rucksack gebunden, aber nicht alle. Ich kaufe mir eine schöne, große, ein besonders hübsches Exemplar. Der alte Mann hält kleine geschnitzte Holzkreuze an Lederbändern in der Hand. Ich frage ihn: „Was kosten die Kreuze?“ — „Ein Euro.“ — Das ist spottbillig, davon möchte ich auch eins. Ich zähle mein Hartgeld, aber es reicht nicht, soviel Kleingeld habe ich nicht mehr. Scheine kann er nicht wechseln. Er hängt mir das Kreuz um den Hals und schenkt es mir. Ich schütte ihm mein gesamtes Kleingeld in die Hand, er lächelt und gibt mir noch einen Tipp: Wenn ich im Ort bin, soll ich in die zweite Bar gehen, die gehört seiner Familie. — Nach nur wenigen Metern bekomme ich von einem Mann einen Bon in die Hand

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