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Rappen lernen

Rappen lernen

Titel: Rappen lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Greif
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nie auf die Texte hören, ja dass sie sie nicht einmal wahrnehmen. Das ist ein komplett anderes Phänomen, das ich absolut nachvollziehen kann. Genau wie ich einsehe, dass manche Menschen nicht träumen oder farbenblind sind, zumal ich bei manchen Pink- und Grüntönen selbst Schwierigkeiten habe. Aber das ist ein anderes Thema, an das man ganz anders herangehen müsste. Ich bin in jedem Fall jederzeit bereit, mit diesen Menschen über Klangfarben und Rhythmen zu reden.
    In der Popmusik spielen Worte eine zentrale Rolle. Insbesondere liegt es geradezu in der Natur der populären Musik, Dinge auszusprechen, über die sonst niemand redet. Unter Pop verstehe ich dabei zeitgenössische Musik mit Texten, die so aufgenommen und produziert wird, dass die Hörer die Künstler mit ihren Stücken identifizieren, dass sie die Texte und die Musik als Ausfluss der Persönlichkeit des Interpreten betrachten (im Normalfall, weil die Künstler auch die Texte schreiben oder zumindest eine wichtige Rolle bei ihrer Entstehung spielen).
    Wenn Popmusik funktioniert, dann verweist sie auf eine Welt, die etwas abseits der Normalität und des Alltags 54 liegt. Diese Welt ist ein bisschen besser, ehrlicher, reicher an Emotionen. Das kann selbst dann gelingen, wenn die Texte eigentlich eher banal sind. Oder wenn nur ein paar Wörter auf sozusagen beschwörende Weise immer wieder wiederholt werden. Dennoch: So ganz passt die Theorie des Antestens und des Bewahrens, über die ich an anderer Stelle geschrieben habe, nicht zum Hip-Hop:
    »Pop [erlaubt es uns], denke ich, gewisse Dinge zu fixieren, die man schon einmal gedacht hat, ohne dass man vielleicht in der Lage gewesen wäre, sie zu artikulieren, und gewisse Gefühle, zu denen man nur vermittelt Zugang hat, in anderer Form zu bewahren, jedenfalls bei Musik mit Texten, in denen das Kognitive und das Emotionale nicht so strikt getrennt sind.« 3
    Wir hören diese Musik also mit jenem Teil unseres Gehirns, der für Aufmerksamkeit, Sprache und Erinnerung zuständig ist.
    Weil Hip-Hop-Texte in ganzen, oft langen Sätzen und Strophen organisiert sind, die Raum bieten für ausgedehnte Metaphern, Zitate, Wortspiele – und vor allem Witze, oft sehr tiefsinnige Witze –, erreicht er eine Komplexität der Artikulation, die ihn vom Rest der aktuellen Popmusik unterscheidet. Diese Besonderheit schließt Vergleiche zu anderen Genres nicht aus: Mit seinem Reichtum an Formeln und seiner Nähe zur Tradition der mündlichen Überlieferung erinnert er an Blues und das aus Reggae, Dub oder Dancehall bekannte Toasten; was die von Soli, der rituellen Staffelstabübergabe der Solis 55 ten, phrasierten Zitaten und der Improvisation über Leitmotive geprägte musikalische Struktur anbelangt, hat er viel mit dem Jazz gemeinsam. Die Formen der Darbietung und der Distribution wiederum teilt er mit dem auf einzelne Hit-Singles ausgelegten Pop (in den USA sprechen wir auch von Top-40-Pop). Wenn man ihn jedoch im weiteren musikhistorischen Kontext traditioneller Stilformen betrachtet, so kann er als Wiederbelebung der metrischen, reimbasierten Lyrik gelten, die um 1920 zu Ende ging. Was die Texte anbelangt, so hat der Hip-Hop seine Potenziale weiterentwickelt als jede andere Stilrichtung in der Geschichte der Musik. Hip-Hop kommuniziert wie eine Sprache, weil es sich im Wesentlichen um Sprache handelt, nicht einfach um Gesang.
    Ich kann mir gut vorstellen, dass jetzt jemand sagt: Aber warum um alles in der Welt hast du denn bitte den Glauben an den Postpunk verloren? Und an die Indie-Label? An unabhängige Künstler und den Rock ’n’ Roll? Man kann gleich noch die Hoffnung auf einen reformierten Kapitalismus sowie den Glauben an die Werte der Mittelklasse, die Bewegung der Konsum- und Globalisierungsgegner dazunehmen. Ich glaube immer noch an diese Dinge, ich bin nur einfach überrascht darüber, als wie schwach sie sich erwiesen haben. Die Bewegung, die 1999 in Seattle auf sich aufmerksam machte, wurde nach 2001 zerstört bzw. verschwand wieder von der Bildfläche. Die Anschläge vom 11. September haben dazu einiges beigetragen, weil sie es Bush junior erlaubten, zu Hause mit der Tyrannei und im Ausland mit dem Imperialismus zu experimentieren. Die Transformation, die im Zuge der »Web 2.0«-Phase des Internets alle Medien erfasste, hat diese Entwicklung allerdings wesentlich stärker beschleunigt, 56 indem sie einen von größeren oder kleineren Transaktionen gekennzeichneten Lebensstil herbeiführte. Wir

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