Rashen - Einmal Hölle und zurück: Roman (Neobooks) (German Edition)
den Lautsprecherboxen über unseren Köpfen tönt leise Musik, eine rauchige Frauenstimme. Überall sind kleine Sitznischen, rote Ledersofas, allerdings um diese Uhrzeit noch unbesetzt. Dahinter finden sich rot gestrichene Türen, durchnummeriert von eins bis sechs. Ich seufze und lasse meinen Blick weiterschweifen. An der Bar befindet sich auf beiden Seiten ein langer Steg von circa einem Meter Höhe – vorne, wo normalerweise die geilen Ehegatten ihre Bedürfnisse an den Schenkeln der Stripperin austoben können, ist eine Polestange angebracht. Oh, ich freue mich schon jetzt unglaublich auf die Show. Vielleicht ist ja das eine oder andere bekannte Gesicht dabei. Weibliche Dämonen bei ihrer Arbeit, das wäre großartig.
Es gibt zwei Arten von Dämonen: die, welche die Menschen begleiten und für die Welt unsichtbar sind, weil sie sich nicht zeigen, und die Dämonen, die so rumlaufen, wie ich jetzt. In einem menschlichen Körper. Eine leere Hülle, eine Projektion. Schließlich gibt es auch Dämonen in ihrer natürlichen Gestalt, keine wirkliche Augenweide, allerdings finden sich diese fast ausschließlich in der Zwischenwelt.
Ich gluckse vor Wonne, Claire beobachtet mich stumm, hat sich auf einen der ledernen Barhocker niedergelassen und ihre schlanken Beine übereinandergeschlagen. Das Buch liegt nun neben ihr auf dem Tresen. Gloria lässt sich nicht mehr blicken. Wahrscheinlich ist es ihr peinlich. Die Sache mit der Spucke in meinem Gesicht. Ich kann daran nichts Schlechtes erkennen, das fördert nur den inneren Dämon. Und das kann ja unmöglich etwas Negatives sein, nicht wahr?
»Musst du nicht noch zu deiner Puffmama?«, frage ich Claire, die irgendwie erschöpft aussieht. In ihre Augen hat sich ein matter Ausdruck geschlichen, der sofort nachlässt, als ich das Wort an sie richte. Claire öffnet ihren Mund, kommt jedoch nicht dazu, mir zu antworten.
»Ich bin hier nicht die Puffmama «, erklingt es tief und durchdringend aus einer der Nischen. Das Kratzen in der Stimme kommt dem Husten eines Motors gleich, jahrelanger Nikotinmissbrauch, der sich in die Stimmbänder hineingefressen hat. Ein warmes Timbre, geheimnisvoll und böse zugleich. Ich drehe mich um, als die besagte Stimme ein passendes Gesicht erhält. Stupsnase, breiter Froschmund, der sich zu einem grimassenartigen Grinsen verzogen hat, und die kältesten Augen, die ich jemals bei einem Menschen gesehen habe. Die Frau erhebt sich rauchend aus einem der Sessel, kommt mit wiegenden Hüften näher. Sie ist jünger als erwartet. Ende vierzig vielleicht. Verbraucht sieht sie aus, abgemagert. So muss ein Mensch aussehen, der einen treuen Begleiter hat …
Ich erkenne den Dämon, der ihr folgt, unsichtbar für Menschenaugen, sofort und könnte einen Freudenschrei ausstoßen. Endlich, nach so vielen Jahren, in denen ich in der Sphäre war und sie nicht sehen konnte!
»Madame Pompadour!«, ruft Claire aus und gleitet vom Hocker. »Ich habe Sie nicht bemerkt.«
»Das habe ich mir fast gedacht«, erwidert sie und lässt mich dabei nicht aus den Augen.
Ich hingegen versuche einen Blick auf den Dämon zu erhaschen. Leichter gesagt als getan, denn die wallende, schwarze Robe von Madame Pompadour schwebt hinter ihr her, als sei sie Dracula persönlich.
»Und wer ist dieses hübsche Kerlchen – dein Freund?«
Sie mustert mich mit unverhohlener Neugierde. Reptilienaugen, gierig, bösartig. Die Hand in die Hüfte gestemmt, positioniert sie sich direkt gegenüber von mir. Claire presst die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen.
Ich deute eine Verbeugung an und sage in fließendem Französisch: »Madame Pompadour, ich hoffe, Euer Majestät ist nicht allzu verärgert darüber, dass Sie sich mit Hofgesindel wie mir abgeben müssen.«
»Oh, entzückend.« Es klingt wie eine Drohung, wie das Aufheulen eines Sportwagens, selbst auf Französisch.
Sie greift mein Kinn und hält es fest. Weiche Hände, die mich liebkosen, ihr Raucheratem streift mein Gesicht, verbündet sich mit dem Zigarettengeruch, den ihre Kleidung verströmt.
»Was bist du denn für ein entzückendes Kerlchen«, wiederholt sie in einem Tonfall, der eher danach klingt, als würde sie überlegen, wie viel Profit sie aus mir schlagen kann. Sie wechselt in ein fehlerfreies Englisch. Kein Wunder, dass sie ans große Geld denkt, wenn ich halbnackt meine Bauchmuskeln spielen lasse.
Ihre langen Fingernägel bohren sich in meine Haut, ihr Reptilienblick ist eindringlich und gleichzeitig
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