Rashminder Tage 02 (German Edition)
Bandenmitglieder um die Wette schnarchten. Karchos‘ Schlafraum befand sich ganz oben. Die Tür war abgeschlossen, ein Wachposten lag selig schlummernd davor. Natt entsorgte ihn fachgerecht, während Cael sich um das Schloss kümmerte. Er besaß einen Schlüssel, mit dem er Flüche aufheben konnte. Viele Reiche und Adlige ließen ihre Türschlösser mit Flüchen belegen, um sich vor Einbruch zu schützen. Er spürte, wie das Artefakt reagierte und lächelte grimmig in sich hinein. Es wäre enttäuschend gewesen, hätte sich Karchos nicht zu schützen versucht!
Auch nachdem das Schloss offen war, schritt Cael nicht einfach in den Raum hinein, sondern nutzte ein weiteres Artefakt, um die Umgebung zu sichern. Wer sich einen Fluchmagier wie Varel hielt, konnte jeden Fußbreit magisch schützen lassen, er war nicht gewillt, irgendein Risiko einzugehen!
Das Artefakt reagierte, Cael fluchte stumm über die blauknisternde Magie. Dann gab es einen Spannungsbogen, zu viel, es war zu viel Energie gewesen! Geblendet stürzte Cael nach hinten. Er hörte Natt schreien und begriff erst jetzt, dass sie angegriffen wurden. Zu spät! Natt lag bewusstlos am Boden. Zumindest hoffte Cael, dass er noch lebte …
Trampelnde Schritte, Flüche, Rufe. Blitzschnell traf er seine Entscheidung: Er rappelte sich hoch, schleuderte das überladene Artefakt gegen die Wand, die Richtung Meer lag. Funken stoben, eine Stichflamme, es knallte ohrenbetäubend. Cael nahm Anlauf und sprang durch die frisch geschlagene Öffnung ins eisige Wasser. Um ihn herum klatschte es, er wurde beschossen. Er tauchte und schwamm um sein Leben, hielt nicht an, als er das Ufer erreichte, sondern rannte, bis er im Schutz von hüfthohen Gräsern Deckung suchen konnte. Das Stelzenhaus war taghell erleuchtet.
Cael ballte die Fäuste, um nicht zu schreien. Karchos lebte. Varel lebte. Ob Natt noch lebte, wusste er hingegen nicht.
~~*~~
„Leiser, bitte, leiser!“, hauchte Kaiden angespannt. Er wusste, Eryk gab sein bestes, um das Schloss möglichst lautlos zu knacken, aber bei den schlechten Lichtverhältnissen war das alles andere als leicht. Es war schon die Hölle gewesen, ungesehen in Schloss Corlin einzubrechen. Überall wimmelte es von Soldaten, die allesamt mindestens genauso nervös waren wie sie. Aus dem, was sie belauschen konnten, schloss Kaiden, dass eine Revolte unmittelbar bevorstand. Zwar wusste niemand genau, warum Erebos seinen Sohn in ein Kerkerverlies geworfen hatte, doch niemand wollte, dass Lys etwas geschah. Einige sprachen sogar davon, dass es kein Verbrechen wäre, wenn sie den jungen Mann beschützen würden. Immerhin war er der Thronfolger und auch ein geborener Fürst von Corlin, ob er diesen Titel nun trug oder nicht. Es waren nervenzerfetzende Stunden vergangen, in denen Eryk und Kaiden mehr als einmal nur unter Einsatz ihrer Illusionsringe der Entdeckung entgangen waren. Gar nicht so einfach, in einer solchen Situation ausreichend Zweisamkeit und Romantik zu entwickeln, um alles zu vergessen und sich ganz auf den anderen zu konzentrieren. Auch wenn Eryk wirklich hervorragend küssen konnte … Sie hatten zwei Wächter zusammenschlagen müssen, um hier unten einzubrechen. Ihnen blieb nur wenig Zeit bis zur Entdeckung. Kaiden hörte Stimmen aus dem Raum, in dem sich die anderen Wächter aufhielten.
Hoffentlich wurde Lys nicht ausgepeitscht oder anderweitig verletzt. Oder angekettet! Wenn wir ihn tragen müssen … Ihr Götter, mit ihm an der Seite nutzen uns die Ringe auch nichts!
In diesem Moment schob Eryk den Riegel beiseite und schwang die Kerkertür auf. Sehr, sehr langsam, was gut war, denn die verfluchten Angeln quietschten. Völlige Finsternis begegnete ihnen. Kaiden huschte hinein. Dank seiner instinktiven Gaben konnte er sich auch ohne Sicht orientieren und fand den niedergestreckten Körper sofort, der in der hintersten Ecke am Boden lag.
„Lys?“, wisperte er. Der junge Fürst zuckte zurück, als Kaiden ihn am Arm berührte. Es war eine lebhafte Bewegung und sie wurde nicht von Schmerzlauten begleitet – das ließ hoffen. Ketten gab es auch keine, stellte Kaiden zufrieden fest.
„Lys, hört Ihr mich? Bitte steht auf, wenn es geht, wir haben keine Zeit zu verlieren! Ich bin es, Kaiden“, setzte er leicht verspätet hinterher.
Lys erhob sich schweigend und folgte ihm. Er stellte keine Fragen, was Kaiden irritierte und zugleich beruhigte.
An der Tür taumelte er leicht, offenbar geblendet von dem schwachen Licht
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