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Rasmussens letzte Reise: Roman (German Edition)

Rasmussens letzte Reise: Roman (German Edition)

Titel: Rasmussens letzte Reise: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Jensen
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erleuchtete Stadt, bevor er sich zur Ruhe begab.
    Um halb sechs Uhr morgens kam der Lotse an Bord. Die Segel wurden gesetzt, und die Peru ging im Sund auf nördlichen Kurs. Carl Rasmussen fühlte sich wieder zu Hause. Auf dem Sund hatte sich eine Segelschiffparade verabredet. Sie kreuzten gegen den Wind, zwischen den Dampfschiffen hindurch, die wie aufgereiht liefen und schwarze Rauchfahnen als kontinuierliche Streifen hinter sich herzogen, als wollten sie den Beweis liefern, dass sie nicht einen Moment von ihrem abgesteckten Kurs abwichen. Vom Deck aus sahen sie große dreimastige Barken, kleine Jachten und Galeassen, die im Vergleich mit den Dampfschiffen nichts anderes zu sein schienen als Jollen. Ein Bramsegelschoner passierte an Backbord. Carl erkannte den Südamerikasegler Hans, der Marstal als Heimathafen hatte. Bram- und Toppsegelschoner waren die bevorzugten Schiffstypen der Marstaller. Ja, er kannte wie ein Seemann jedes Segel und jedes Tauende. Als Marinemaler musste er auf all dieses Wissen verzichten, das eine Leinwand allzu sehr füllen konnte. Ein Maler sollte sich nicht in Details verlieren. Seine Aufgabe bestand darin, das Licht einzufangen. Über dem Meer gab es diesen besonderen Ton in der Luft. Die grenzenlose Aussicht ließ den Betrachter weit blicken, der Abstand hatte allerdings auch einen ausgleichenden Effekt. Ein Schiff, das sich dem Horizont näherte, wurde nicht nur kleiner, es veränderte sich auch. Die scharfen Linien verschwammen, der Maler musste gleichsam einen Schleier vor seine Leinwand ziehen. Bei den prallen Segeln handelte es sich um nichts anderes als Licht. Massive, schiefergraue Wellen konnten mit trügerischer Regelmäßigkeit steigen und fallen, und doch hatten sie keine feste Gestalt. Ungeachtet wie schwer sie rollten – auf der Leinwand hatten sie tänzerisch leicht zu erscheinen.
    Die Stadt versank hinter ihnen, und die Küste Nordseelands tauchte auf. Sie passierten Skodshoved, wo eine Ansammlung von Fischerbooten lag. Das Wasser bewegte sich unruhig. Es blinkte und schwappte um die Boote, deren Spiegelbilder in den glänzenden kleinen Wellen gebrochen wurden. Die weiße Eremitage erhob sich auf ihrem Hügel im Dyrehaven. Auf der weiten Grasfäche vor dem Jagdschloss sah er Hirschrudel ruhig äsen, unangefochten von der Anwesenheit von Menschen. Dort war er vor langer Zeit mit dem alten niesenden Frisch spazieren gegangen und hatte die dänische Natur studiert.
    Gegen elf segelten sie an Schloss Kronborg vorbei, und der Lotse ging von Bord.
    Der Anblick der jahrhundertealten Kupfertürme und des wehenden Dannebrogs veranlasste Carl Rasmussen zum ersten Mal auf dieser Reise, seinen Skizzenblock und die Aquarellfarben hervorzuholen. Er fühlte sich wie ein Rekonvaleszent, der nach langer Krankheit fühlte, wie sein Lebensmut zurückkehrte.
     
    Um acht Uhr abends bekamen sie Peilung auf den Leuchtturm von Anholt. Als Carl am nächsten Morgen erwachte, war Schnee gefallen, obwohl man den ersten Mai schrieb. Auf dem nassen, rutschigen Deck blieb der Schnee nicht liegen, aber die Luft war voller wirbelnder Flocken. Wieder verspürte er dieses unbestimmte Gefühl, sich auf seine letzte Reise begeben zu haben.
    In der Kajüte nahm er einen Zeitungsausschnitt der Svendborg Amtstidende zur Hand. Holm hatte ihn Carl zum Abschied gegeben. Der Architekt war alt geworden, teilte Carls kleine Triumphe aber mit dem gleichen Enthusiasmus wie früher. Es handelte sich um eine schmeichelhafte Besprechung der Ausstellung, die Rasmussen zusammen mit Professor Bøgh in der Teknisk Skole gehabt hatte, und Holm hielt den Artikel sicher für geeignet, seine Laune während der langen Abwesenheit aufzuheitern.
    »Einen schöneren Schmuck der eigenen Wände wird man kaum finden als diese frischen Bilder unserer heimischen Meere, die Rasmussen mit so viel Treue und Anmut malt«, hatte der anonyme Rezensent geschrieben. Die Besprechung fuhr in dem gleichen begeisterten Ton fort: »Es gibt wahrlich nicht viele unserer Maler, die eine derartige Herrschaft über ihren Pinsel ausüben, wenn es darum geht, die Luft und die See zu malen wie eben Rasmussen. Er muss uns nichts anderes als lediglich ein leicht gekräuseltes Meer zeigen, eine Luft mit einigen leichten Wolken, die der Sonne jedoch gestatten, einige Strahlen auf der Wasseroberfäche zu verstreuen, ein paar kleine Inseln im Hintergrund und ein Segelschiff in der Ferne – und man hat ein Kunstwerk, bei dem man lange wird suchen müssen, um

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