Ratgeber Magersucht
einen Hinweis dafür bekommen, ob eher eine ambulante oder stationäre Maßnahme angezeigt ist.
3.2 Wie sieht grundsätzlich die Behandlung aus?
Wie in Kapitel 2 beschrieben gehen wir davon aus, dass die Magersucht einerseits durch das gestörte Essverhalten und die körperlichen und seelischen Folgen des geringen Körpergewichts selbst aufrechterhalten wird, andererseits aber auch oft einen Lösungsversuch der Betroffenen für zugrunde liegende Probleme darstellt. In der Behandlung der Magersucht ist es deshalb sehr wichtig, beide Bereiche zu berücksichtigen. Dieses Vorgehen nennt man „Zwei-Strang-Therapie“: Einerseits geht es darum, wieder ein normales Körpergewicht zu erreichen, das Essverhalten wieder zu normalisieren und die verzerrte Wahrnehmung des eigenen Körpers günstig zu beeinflussen. Andererseits müssen auch die verschiedenen zugrunde liegenden Schwierigkeiten bearbeitet werden, die Sie an der Überwindung der Erkrankung hindern. Sie müssen darin unterstützt werden, Ihr Leben so zu verändern, dass Sie die Essstörung nicht mehr benötigen. Dabei kann der Schwerpunkt und der Aufwand, der den beiden Bereichen gewidmet wird, von Einzelfall zu Einzelfall sehr verschieden sein. Die einzelnen Therapieformen, die zur Behandlung der Magersucht entwickelt wurden, unterscheiden sich u. a. auch darin, wie stark sie diese beiden Bereiche gewichten. Da die dabei verwendeten Maßnahmen sehr vielfältig und unterschiedlich sind, können diese hier nicht im Detail dargestellt werden. Grundsätzlich sind aber diese beiden Bereiche wichtig. Sie werden im Folgenden genauer beschrieben.
3.2.1 Bearbeitung der körperlichen Faktoren: Gewichtszunahme und Normalisierung des Essverhaltens
Andauerndes Diäthalten, Fasten, Untergewicht und die Verbote von bestimmten Nahrungsmitteln haben starke körperliche und seelische Auswirkungen. Dazu gehört z. B., dass der Grundumsatz reduziert wird, das Denken ständig um das Essen kreist, Heißhunger ausgelöst werden kann. In ungefähr 50 % der Fälle führt die Magersucht zum Auftreten von bulimischen Symptomen wie Essanfällen, die dann auch in der Behandlung berücksichtigt werden müssen. Oft sehen sich die Betroffenen trotz des starken Untergewichts als normalgewichtig an. Die natürlichen Signale des Körpers wie Hunger werden nicht mehr wahrgenommen, nach dem Essen können ausgeprägte Völlegefühle auftreten, was bei manchen Patienten dazu führt, dass sie Erbrechen selbst auslösen oder Laxazien einnehmen.
Alle diese Veränderungen machen es schwer, sich „einfach wieder normal“ zu ernähren, die kleinste Veränderung des Essverhaltens kann starke Ängste und Unwohlsein auslösen. Trotzdem ist bei der Magersucht ein ganz zentrales Ziel der Behandlung, dass die Betroffene wieder ein gesundes Mindestnormalgewicht erreicht. Ohne Gewichtszunahme kann eine Behandlung langfristig nicht erfolgreich sein, da viele Symptome der Magersucht eine direkte Folge des Untergewichts darstellen. Bisher gibt es keine medizinisch eindeutigen Kriterien für die Festlegung eines gesunden Mindestnormalgewichts, man orientiert sich deshalb am Body Mass Index (BMI; vgl. Kapitel 1.2 ).
In der Therapie wird gemeinsam mit dem Therapeuten festgelegt, wie die Gewichtszunahme erfolgen soll, z. B. wird in einem Vertrag festgelegt, wie viel Gewicht Sie pro Woche zunehmen sollten und wie die Gewichtszunahme kontrolliert werden kann. Im stationären Rahmen wird die Gewichtszunahme meist durch festgelegte Programme geregelt. Wichtig ist dabei immer, dass Sie selbst Verantwortung für Ihre Gewichtszunahme übernehmen und sich innerlich selbst zu einer regelmäßigen Gewichtszunahme und Nahrungsaufnahme verpflichten.
Ein weiterer Bestandteil der Behandlung einer Magersucht umfasst die Informationsvermittlung über gesunde Ernährung. Zwar kennen viele Betroffene genau den Kaloriengehalt einzelner Nahrungsmittel, es fehlt jedoch an Wissen über eine wirklich gesunde und ausgewogene Ernährung. In der Behandlung werden Sie über gesunde Ernährung aufgeklärt, eventuell sollte eine Ernährungsberatung durch eine Ernährungswissenschaftlerin, die sich mit Essstörungen auskennt, stattfinden. In der stationären Therapie hat der Teil der Ernährungsberatung meist einen größeren Raum als in der ambulanten Behandlung. Im stationären Rahmen lernen die Betroffenen auch wieder, gemeinsam mit anderen zu kochen und das Zubereitete zu essen.
Da viele Betroffene das Gefühl für Mengen und
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