Ratgeber Parkinson
bestimmten Unternehmungen nicht mithalten.
– An der Supermarktkasse oder am Bankschalter baut sich durch die motorische Ungeschicklichkeit und die dadurch bedingte zeitliche Verzögerung eine lange Schlange auf.
– Im Sportverein/der Firma/der Familie ist eine Ansprache zu halten/Ehrung auszusprechen etc.
– An einer Bushaltestelle oder einem anderen Platz wird gespottet („Sieh mal, der Betrunkene“, „… die Verrückte“ etc.).
Derartige Situationen sind für die meisten hochgradig schambesetzt. Die Betroffenen versuchen, ihre Symptome zu verstecken und „irgendwie zu funktionieren“. Dadurch steigt die Anspannung und die Symptome bilden sich kurzzeitig stärker aus als „eigentlich“ nötig. Und oft ziehen sich die Betroffenen völlig aus derartigen Situationen zurück. Die Folge ist dann ein gravierender Verlust von Quellen potenzieller Freude und Anerkennung. Besser ist es dagegen, sich zu überlegen, wie man – angepasst auf die jeweilige Situation – verbal reagieren könnte. Dabei sollte die Information kurz, knapp und anschaulich sein, keine Schönfärberei enthaltene, aber auch nicht dramatisieren oder falsche („Schüttellähmung“) beziehungsweise missverständliche („Nervenleiden“) Begriffe enthalten (vgl. Kasten).
Besser: Verständliche und knappe Informationen geben
– Nicht mehr als drei bis fünf Sätze!
– Keine Fremdworte!
– Was ist intakt ?
– „Kleine Ursache – große Wirkung“!
– Schwankungen sind normal!
– Verschlechterungen sind oft abhängig von konkreten Auslösern!
– Verständliche Bilder nutzen!
– Jeder Verlauf ist anders!
Statt also zu sagen:
„Ich habe Morbus Parkinson, das ist eine neurodegenerative Hirnerkrankung, die den von Ihnen sicherlich schon bemerkten Tremor bewirkt“,
ist es viel verständlicher, beispielsweise zu sagen:
„Wundern Sie sich bitte nicht, wenn ich morgens ein wenig unsicher stehe und zittere, das liegt nicht etwa an einem abendlichen Alkoholkonsum, sondern an einer Erkrankung, bei der die Koordination der Muskulatur nicht ganz genau funktioniert“.
Diese Erläuterung ist sehr kurz, beschreibt angemessen die Realität, vermeidet jedoch unverständliche medizinische Fachwörter und Mehrdeutigkeiten und gibt in anschaulicher Form genau die Information, die auch wirklich erforderlich ist. So kann sich unter einer „mangelhaften Koordination der Muskulatur“ jeder etwas vorstellen. Ferner enthält die Formulierung „nicht ganz genau funktioniert“ implizit den Hinweis, dass die meisten Funktionen intakt sind. Auch ist klar, dass das Zittern nicht zum Beispiel auf Alkoholexzesse zurückzuführen ist.
Hilfreich ist es, sich Klarheit darüber zu verschaffen, welche konkreten Situationen persönlich von Bedeutung sind. Für genau diese Situationen sollte man sich nach obigem Muster einige Sätze zurechtlegen. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Formulierungen auf die eigenen Sprachgewohnheiten angepasst sind. Deshalb auch ist die Verwendung gestanzter, vorformulierter Wendung nicht hilfreich. Bildhafte Ausdrucksformen können jedoch sehr nützlich sein. Dies gilt besonders für den Umstand, dass bereits sehr kleine Veränderungen im Haushalt der chemischen Botenstoffe des Gehirns schwerwiegende Symptome nach sich ziehen können. Solche Bilder sind zum Beispiel:
– das Schienennetz der Bundesbahn,
– ein Zentralrechner,
– ein Stellwerk,
– ein Relais,
– die Organisationszentrale eines Großunternehmens,
– ein militärischer Führungsstab.
Bei der Verwendung derartiger Bilder wird sehr schnell klar, dass bereits kleine Abweichungen im Informationsfluss gravierende Auswirkungen nach sich ziehen können. Und umgekehrt arbeitet auch beim Vorhandensein gravierender Störungen nicht gleich das gesamte Unternehmen, das Schienennetz, der Computer etc. defizitär. Auch beim Parkinson ist Vieles intakt. Und darauf hinzuweisen ist von entscheidender Bedeutung. Generell gilt: Je „zentraler“ die fehlerbehaftete Steuerungseinheit gelegen ist (je tiefer im Gehirn die Schädigung also anzutreffen ist), desto schwerer sind die Auswirkungen und desto schwieriger sind sie zu beheben – genau wie bei der Parkinson-Erkrankung:
„Kleine Ursache – große Wirkung“
Fährt ein Zug an einem Provinzbahnhof zu spät ab, kann es im ganzen Fahrplan zu übermäßigen Verspätungen kommen. Diese wirken sich nicht selten auf Fernzüge in
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