Rattenkoenig
dieses Geld?«
»Glücksspiel, Sir.« Der King war immer höflich. Er sagte immer ›Sir‹ zu Offizieren, und er salutierte, ob es nun englische oder Aussie-Offiziere waren. Aber er wußte, daß ihnen die Unermeßlichkeit seiner Verachtung für ›Sir‹ und Salutieren nicht entging. Es war nicht amerikanische Art. Mann ist Mann, welchen Werdegang, welche Familie, welchen Dienstgrad er auch haben mag. Respektiert man ihn, redet man ihn mit ›Sir‹ an. Wenn nicht, eben nicht, und nur einem dämlichen Hampelmann paßt das nicht. Zum Teufel mit ihm!
Der King steckte den Ring an den Finger zurück, knöpfte die Taschen zu und schnippte ein Staubfleckchen vom Hemd. »Wär's das, Sir?« Er sah die Wut in Greys Augen aufblitzen.
Dann blickte Grey zu Masters hinüber, der nervös zugesehen hatte. »Unteroffizier, würden Sie mir bitte etwas Wasser holen?«
Müde ging Masters zur Wasserflasche hinüber, die an der Wand hing. »Hier, Sir.«
»Das ist noch von gestern«, sagte Grey, wußte aber genau, daß es nicht stimmte. »Füllen Sie sie mit frischem Wasser.«
»Ich hätte schwören können, daß ich sie als erstes heute gefüllt habe«, murmelte Masters. Dann ging er kopfschüttelnd hinaus.
Grey ließ das Schweigen lasten, und der King stand gemächlich abwartend in der Baracke. Eine Windbö raschelte in den Kokospalmen, die dicht vor dem Zaun hoch über den Dschungel hinausragten, und trug das Versprechen auf Regen mit sich. Schon säumten dunkle Wolken im Osten den Himmel, bald den Himmel zu verhüllen. Bald würden sie Staub in Schlamm verwandeln und feuchte Luft atembar machen.
»Möchten Sie eine Zigarette, Sir?« Der King hielt ihm die Packung hin.
Das letzte Mal, daß Grey eine aktive Zigarette gehabt hatte, lag zwei Jahre zurück und war an seinem Geburtstag gewesen. An seinem zweiundzwanzigsten Geburtstag. Er starrte auf die Packung und wollte eine, wollte sie alle. »Nein«, knirschte er grimmig. »Ich will keine von Ihren Zigaretten.«
»Es macht Ihnen doch nichts aus, wenn ich rauche, Sir?«
»Doch, es macht mir etwas aus!«
Der King sah Grey fest in die Augen und zog ruhig eine Zigarette heraus. Er zündete sie an und machte einen tiefen Lungenzug.
»Nehmen Sie das Ding aus dem Mund!« befahl Grey.
»Gewiß, Sir.« Der King nahm einen langen, langsamen Zug, bevor er gehorchte. Dann wurde er hart. »Ich stehe nicht unter Ihrer Befehlsgewalt, und es gibt kein Gesetz, in dem steht, daß ich nicht rauchen darf, wenn ich will. Ich bin Amerikaner und stehe nicht unter irgendeinem verfluchten Flatterlappen von Union Jack! Das ist auch Ihnen klargemacht worden. Bleiben Sie mir vom Hals, Sir.«
»Sie entgehen mir nicht, Korporal«, brach es aus Grey hervor. »Einmal werden Sie einen Fehler machen, und dann werde ich bereits warten, und Sie landen da!« Sein Finger zitterte, als er auf den groben Bambuskäfig zeigte, der als Haftzelle diente. »Dahin gehören Sie.«
»Ich verstoße gegen kein Gesetz …«
»Wo haben Sie dann Ihr Geld her?«
»Glücksspiel.« Der King ging näher an Grey heran. Seine Wut war beherrscht, aber er war gefährlicher als sonst. »Mir schenkt niemand was. Was ich besitze, gehört mir, und ich habe es erworben. Wie ich es erworben habe, ist meine Sache!«
»Nicht, solange ich Sicherheitsoffizier bin.« Grey ballte die Fäuste. »Im Laufe der letzten Monate sind eine Menge Medikamente gestohlen worden. Vielleicht wissen Sie etwas darüber?«
»Jetzt reicht's, Sie – hören Sie«, schnaubte der King zornig, »ich habe in meinem ganzen Leben noch nichts gestohlen. Mein ganzes Leben habe ich noch keine Medikamente verkauft, merken Sie sich das! Verflucht, wenn Sie nicht Offizier wären, ich würde Sie …«
»Aber ich bin es, und ich wünschte mir nur, daß Sie es versuchten. Bei Gott, ich würde es! Sie halten sich für so verflucht hart, aber ich weiß, daß Sie es nicht sind.«
»Ich will Ihnen was sagen. Wenn wir diese Scheiße in Changi hinter uns haben, dann fragen Sie nach mir, und ich werde Ihnen Ihren Schädel präsentieren.«
»Ich werde es nicht vergessen!« Grey versuchte, sein wild pochendes Herz zu beruhigen. »Aber denken Sie daran, bis dahin passe ich auf und warte. Ich habe noch nie von einer Glückssträhne gehört, die nicht auch einmal abgerissen wäre. Und Ihre wird es bestimmt tun!«
»Das wird sie nicht, Sir.« Aber der King wußte, daß in Greys Worten eine große Wahrheit lag. Das Glück war ihm gut gesinnt gewesen. Sehr gut gesinnt. Aber
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