Rattentanz
ihm Schutz und Sicherheit versprach, anderswo als direkt am Körper aufzubewahren. Er wollte sie da haben, wo er sie stets spüren und jederzeit erreichen konnte.
Sie verließen Hausen vor Wald auf der Landstraße nach Mundelfin gen. Nur zu gern öffnete sich die Straßensperre vor ihnen, schließlich verließen sie das Dorf. Auf der anderen Seite warteten ein vollbeladener Kleinbus und zwei mindestens ebenso überladene Pkw. Die Fahrer versuchten die Männer, die die Zufahrt zum Dorf sicherten, zum Öffnen der Barrikade zu bewegen. Aber vergeblich. Nachdem man am frühen Morgen Albert Steiner erschlagen in seiner Wohnung am Ortsrand aufgefunden hatte, war erst recht niemand mehr bereit, Fremden zu trauen. Mit Erleichterung sah man Eva und den beiden Männern nach. Kaum, dass sie das Dorf verlassen hatten, wurde Luisa Singers kleine Wohnung im alten Pfarrhaus von den Nachbarn, die sie in den Jahren ihres Hierseins fast täglich gesehen und gegrüßt hatte, mit einem handelsüblichen Stemmeisen aufgebrochen.
Thomas Bachmann trottete hinter Beck her. Beck zog den Handwagen. Eva war manchmal bei dem Polizisten, manchmal bei Thomas. Immer wenn sich in der Ferne jemand näherte, kontrollierte der Polizist etwas hinten in seiner Hose.
Du hast letzte Nacht neben dieser Frau gelegen!, sagte Nummer zwei.
Nummer drei: Bist du etwa eifersüchtig?
Wer redet denn mit dir! Pah, ich und eifersüchtig. Plötzlich blieb Eva stehen, ging zum Straßenrand und übergab sich. Das ganze schöne Frühstück!
Beck war weitergegangen, als er sich aber umdrehte und Eva am Straßenrand knien sah, ließ er den Handwagen stehen und rannte zurück. »Was ist los? Ist dir schlecht? Bist du krank?« Sie duzten sich seit dem Frühstück.
»Geht schon wieder.« Eva versuchte ein Lächeln. Es gelang ihr auch einigermaßen, jedenfalls rannte Joachim Beck nicht erschrocken davon und fiel auch nicht in Ohnmacht. Eva holte tief Luft und atmete dann geräuschvoll aus. »Das gehört eben dazu.«
»Was gehört wozu?« Beck verstand nichts.
»Übelkeit. Vor allem am Morgen. Manchmal auch Schwindel, aber alles in allem wird es langsam besser.«
»Soll das heißen, dass du schwanger bist?« Eva nickte.
Sie ist schwanger?! Thomas, was hast du getan?!! Du kannst doch nicht … Nummer zwei suchte nach Worten. Wisst ihr, was das bedeu- tet? Wisst ihr das?! Sie wird bald dick und unförmig und dann müssen wir uns das Geschrei eines kleinen Kindes anhören und kommen nicht mehr schnell genug voran und das Essen wird nicht reichen, denn ent- weder futtert uns das Kleine alles weg oder die Frau da wird mehr essen müssen, damit sie genug Milch geben kann … Pause. Und, in plötzlich völlig verändertem Tonfall: Aber süß wäre es schon, so ein kleiner Winzling. Wir werden Vater, ist das nicht schön? Vater. Wir könnten es auf dem Arm umhertragen und es wird mit seinen winzigen Händchen nach unserem Finger greifen und uns anlächeln. Nummer zwei stieß einen verträumten Seufzer aus. Und dann könnten wir alle gemein sam nach Paris fahren, den Eiffelturm sehen und hinaufsteigen und dem kleinen Liebling die Welt zeigen.
Und ihn, schwuppdiwupp, hinabwerfen!
Nein, das würden wir nicht machen!
Ich schon.
Ich werde dafür sorgen, dass du nicht mit hinaufdarfst!
Wirst du nicht.
Werd ich wohl!
Thomas spürte, dass Eva es gut mit ihm meinte und, anders als der Polizist, wollte sie ihn nicht zurücklassen. Thomas hatte sie am Morgen aus Versehen in der Küche belauscht. Der Mann sagte, dass Thomas behindert sei und eine Belastung und es wäre das Beste, ihn hier zurückzulassen (Zurücklassen! Einsam im Wald zurücklassen, auf dass wir langsam und unter unsaaagbaren Quaaalen verhungern und ver durrrsten!) aber die Frau widersprach. Und sie hatte ihm die Toilette gezeigt. Nur Melissentee konnte sie keinen kochen, weil in der kleinen Wohnung, genau wie im Aufzug und im Krankenhaus, der Strom nicht funktionierte. Obwohl Strom doch immer da war, früher.
Nach eineinhalb Stunden erreichten die drei Mundelfingen. Am Eingang des kleinen Dorfes stand die Ruine eines niedergebrannten Bau ernhofes und auf den Wiesen davor weideten einige obdachlose Pferde. Wie zu erwarten, wurden sie auch hier von Männern abgefangen. Mit Mistgabeln bewaffnet hinderten sie jeden an der Durchreise. Bestimmt verwiesen sie Eva und ihre Begleiter auf einen Feldweg. Der führte um das Dorf herum und wieder zurück auf die Landstraße.
Sie folgten dem Weg, umgingen das Dorf und kamen
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