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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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zu viel entfernen! Dann öffnete er den Wein und nahm mit geschlossenen Augen einen tiefen Schluck.
    Als er die Augen wieder öffnete, stand Johannes Seger vor ihm. Und Hans sah zum Fürchten aus! Unrasiert, mit verfilzten Haaren, Hemd und Hose schmutzig und von Dornen zerrissen. In den Augen des Fremden glaubte Svensson Angst und eine Spur zu viel Gier zu sehen. Gier nach seinem Brot. Er erschrak dermaßen, dass er sich an seinem Rotwein verschluckte. Svensson wurde kreidebleich, hustete und griff sich mit beiden Händen an den Hals. Wein und Brote fielen ins Gras.
    Das war Hans’ Gelegenheit! Er rannte an dem noch immer husten den Alten vorbei und griff nach einem der Brote. Der Wein war ihm egal. Aber wo war das zweite Brot? Hans kniete im Gras und mus terte die Umgebung. Wo war es? Eben lag es doch noch im Schoß des Alten! Das Husten erstarb, aber Hans nahm keine Notiz davon. Jede Faser seines Körpers war jetzt direkt mit seinen Augen verbunden und diese Augen suchten nach dem zweiten Brot. Es war hier, irgendwo im Gras musste es liegen, hier, ganz nah.
    Als ihn ein Schatten zum Aufsehen zwang, wäre es fast zu spät gewesen. Nils Svensson hatte sich von seinem Hustenanfall erholt und sprang mit gezogenem Taschenmesser auf den Dieb zu. Die Sonne spiegelte sich in der sauberen Klinge. Als Hans die Gefahr erkannte, blieb ihm gerade noch genügend Zeit, um sich mit einem Sprung zur Seite zu retten. Die kurze Klinge des Messers sauste nur wenige Zentimeter neben seiner Wange durch die Luft, dann stach sie in den Sandboden. Svensson fluchte, stand erneut auf und ging auf Hans zu. Der lag im Gras, das Brot fest im Arm, im Rücken einen sandigen Abhang. Er sah sich um. Er saß in der Falle! Vor ihm der wütende Alte, offensichtlich zu allem entschlossen, nur um sein Brot zurückzuerobern. Hinter ihm erhob sich der Hang.
    Er streckte dem Alten die leeren Handflächen entgegen, zeigte ihm, dass er unbewaffnet war und keinen Kampf wollte, aber Nils Sven ssons Jähzorn, der ihn vor vier Jahrzehnten für mehrere Monate ins Gefängnis gebracht hatte, kannte nun kein Halten mehr. Seiner Kehle entrang sich ein tiefer, grollender Schrei, er senkte den Kopf und kam auf Hans mit der Wucht einer Dampfwalze zu.
    Hans rollte zur Seite, streckte dabei sein Bein aus und brachte so den Angreifer zu Fall.
    Aber wieder rappelte der sich auf. Er spuckte Sand aus, knurrte und attackierte Hans noch einmal. Doch diesmal blieb Hans keine Zeit mehr auszuweichen. Der Alte warf sich mit seinem Körper auf Hans, drückte diesen ins Gras und lachte. Dann sah Hans die Klinge erneut auf sich zukommen! Er riss den Kopf zur Seite, das Messer stach in den Boden und Svensson beugte sich tief über ihn.
    Ohne nachzudenken schlug Hans (er hatte sich als Teenager das letzte Mal geprügelt) dem Mann seine Faust ins Gesicht. Nils Svensson sah zu Hans, dann zu seinem Messer. Da traf ihn der zweite Schlag, Hans hatte Todesangst, zielte besser und landete einen sauberen Treffer an Svenssons Kinn. Der kippte zur Seite, die Waffe noch immer in der Hand.
    Fast synchron rappelten sich beide Männer erneut auf, taxierten einander.
    »Geben Sie mir eines Ihrer Brote und ich verschwinde!«, schrie Hans. Er war außer Atem und hatte Angst, dass etwas passieren könn te, was einer von beiden später bereute. Aber Svensson, selbst wenn er den Deutschen verstanden hätte, wäre zu diesem Geschäft – das für ihn keines war – niemals bereit. Es waren seine Brote. Er hatte sie gefunden und aus dem Wagen mit der stinkenden Leiche geholt. Sie gehörten ihm, nur ihm!
    »Bitte!« Hans wollte dieses Brot! »Ich will mich nicht mit Ihnen schlagen! Ich …«
    Was er noch sagen wollte, ging in Nils Svenssons Angriffsschrei unter. Rasend vor Zorn griff er nochmals an und war fest entschlossen, den Kampf gegen den Jüngeren jetzt ein für alle Mal zu beenden. Hans hatte noch immer sein Brot im Arm – ein Anblick, der Svensson in einen Amokläufer verwandelte.
    Aber diesmal hatte Hans den Angriff erwartet. Er packte den hoch erhobenen Arm Svenssons und riss ihn zur Seite. Svensson griff nach Hans’ Kehle, als der sich ins Gras fallen ließ und den Alten mit sich zog und Svensson griff ins Leere. Und er verlor bei diesem Angriff sein Messer!
    Hans fand es unmittelbar neben sich im Gras, zögerte, danach zu greifen als der Alte erneut heranstürmte wie ein Terrier – der niemals bereit ist aufzugeben, niemals den Schwanz einzieht. Ohne lange zu überlegen packte Hans das Messer

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