Rattentanz
auch, dass morgen früh, sagen wir neun Uhr, hier oben ein Gottesdienst stattfindet. Würdest du das übernehmen?«
Eisele nickte.
»Gut, dann bis spätestens morgen.«
Frieder Faust hatte Jürgen Mettmüller am frühen Morgen abgeholt. Gemeinsam war er mit dem Förster ein Stück Richtung Bonndorf gefahren, um nach einer geeigneten Stelle für eine provisorische Straßensperre zu suchen. Gestern und auch noch in der vergangenen Nacht waren die durchfahrenden Autos zwar deutlich weniger geworden, dafür kamen nun aber immer mehr Fahrradfahrer, mit zum Teil abenteuerlich beladenen Gefährten, und kleinere Gruppen Fußgänger durch den Ort. Am Abend war es zu einem unschönen Zwischenfall gekommen, als zwei Familien im Dorf eine kurze Rast einlegten und Bernhard Hall eines der Kinder dabei beobachtete, wie es in den Ehrenbach urinierte. Der Alte war daraufhin mit einem Knüppel bewaffnet zu dem Kind gerannt und hatte es vor sich hergetrieben, bis er sich plötzlich dem nicht minder wütenden Vater des Kleinen gegenübersah. Die Lage hätte leicht eskalieren können, denn das Geschrei des Kindes und Halls Rufe hatten schnell ein Dutzend Menschen angelockt. Dass nichts geschah, hatten sie den beiden Müttern in der kleinen Gruppe zu verdanken. Rasch packten die ihre wenigen Habseligkeiten zusammen und verließen mit ihren Kindern das Dorf, die beiden Männer sicherten den Rückzug.
»Aber glaubst du wirklich«, fragte Mettmüller und die Sonne ließ sein rotes Haar kräftig leuchten, »glaubst du, dass wir mit Straßensperren Reisende zur Umkehr zwingen können?«
»Bestimmt nicht«, antwortete Faust. »Aber wenigstens zum Ändern ihrer Reiseroute. Sollen sie doch, wenn sie Richtung Donaueschingen wollen, nach Brunnadern oder Dillendorf ausweichen. Und Richtung Waldshut geht’s auch wunderschön durchs Steinatal. Wir wollen nur, dass so viele wie möglich Wellendingen umgehen. Stell dir vor, Hall hätte das Kind gestern geschlagen – ich weiß nicht, was dann passiert wäre! Und dann das mit Winterhalder letzte Nacht oder Nussberger.« Faust ging zu einer mächtigen Buche unmittelbar am Straßenrand. »Was hältst du von dem?«
Mettmüller nickte. Zum achten Mal an diesem Vormittag warf er seine Kettensäge an. Der Motor zerriss die friedliche Stille, dann fraßen sich die scharfen Zähne der Säge in den alten Baum. Wenige Minuten später fiel die Buche auf die Straße.
Mettmüller stellte das Ungetüm ab und sah zurück nach Bonndorf. Er war zufrieden. Acht Bäume lagen in unregelmäßigen Abständen über der Straße – keine einzelne Barriere, wie sie inzwischen andere Ortschaften an ihren Zufahrten errichtet hatten, sondern eine jeden Reisenden entmutigende Abfolge kleinerer Hindernisse. Jedes für sich zwar mehr oder weniger leicht zu überwinden, wenn man allerdings vor dem ersten Stamm stand und Richtung Wellendingen blickte und dort einen gefällten Baum nach dem anderen sah, dann würde es sich wohl jeder zweimal überlegen, ob er weitergehen oder doch lieber ei nen anderen Weg einschlagen sollte. Ein weiterer Vorteil dieser Art Stra ßensperre war, dass sie keiner Bewachung bedurfte.
»Das müsste reichen.« Faust ging zu seinem Pick-up und Mettmüller legte die Säge auf die Ladefläche. »Jetzt müssen wir nur noch die Straße nach Schwaningen dichtmachen, vielleicht ab Abzweig Brunnadern, dann sollten wir Ruhe haben.«
Faust ließ den Motor an.
»Von Eva immer noch nichts gehört?«, fragte Mettmüller. Faust schüttelte den Kopf. »Nichts«, sagte er.
»Was wird dann aus der Kleinen?«
»Was wohl?« Faust spuckte aus dem Fenster und legte den ersten Gang ein. »Sie bleibt bei uns. Es gibt ja sonst niemanden, zu dem sie könnte. Und uns kennt sie, seit sie auf der Welt ist.«
»Aber wird euch das nicht zu viel? Der aus dem Flugzeug ist doch auch bei euch, oder?« Faust nickte.
»Das reinste Asylantenheim, ich weiß. Aber es hat auch etwas Gutes. Lea ist durch ihren Herrn Mittwoch ein bisschen abgelenkt. Ich glaube, wenn er nicht wäre, hätte sie ein echtes Problem. Aber so ist sie beschäftigt und ist felsenfest davon überzeugt, dass ihre Mutter noch im Krankenhaus gebraucht wird und sich deshalb verspätet. Na ja, Kinder eben. Susanne scheinen die neuen Familienmitglieder aber auch nicht zu schaden. Nur«, Faust warf einen überflüssigen Blick auf sein Navigationsgerät, »nur mit dem Essen dürfte es irgendwann knapp werden. Wenn kein Wunder geschieht, jedenfalls.«
»Wenn du was
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