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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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mit Wasser zu versorgen.
    »Aber morgen früh sind wenigstens die Regentonnen wieder voll«, sagte sie und rieb sich die schmerzenden Gelenke.
    Nachdem sie die letzten Häuser der kleinen Siedlung hinter sich gelassen hatten, stiegen Eva, Thomas und Joachim Beck eine Anhöhe hinauf. Von da aus konnten sie in der Ferne bereits die ersten Häuser Bonndorfs erkennen, links fiel das Land nach wenigen Kilometern steil zum Rhein hin und zur Nordschweiz ab. Dazwischen drehte sich ein Windrad.
    Sie kamen gut voran und je später es wurde, desto schneller drehte sich das Windrad. Der Wind hatte merklich aufgefrischt und von Westen näherten sich über den Gipfeln des Schwarzwaldes dunkle Wolkenberge.
    »Vielleicht sollten wir uns so langsam nach einem trockenen Plätzchen für die Nacht umsehen«, schlug Beck vor und beschleunigte seinen Schritt.
    »Übernachten?« Evas Stimme war nacktes Entsetzen. »Bist du verrückt, so kurz vor dem Ziel! Es sind höchstens noch drei Kilometer. Wenn es sein muss, schwimme ich sie!«
    »Du vielleicht, aber der da …« Beck zeigte auf Thomas, der den Himmel immer ängstlicher musterte. Bei jedem Donner zuckte er zusammen. Thomas kroch fast auf allen vieren, so sehr duckte er sich. Die Augen hatte er weit aufgerissen.
    Im Süden leuchteten noch schneebedeckte Alpengipfel, aber direkt über ihren Köpfen türmten sich bereits pechschwarze Wolken.
    »Wir schaffen es!«, schrie Eva dem plötzlich einsetzenden Wind entgegen.
    Das Windrad kam langsam näher, wuchs Stück für Stück in den Himmel. Donnergrollen lag in der Luft und erste Blitze zuckten. Eva zog Thomas hinter sich her, Joachim Beck den Handwagen. Sie hatten gerade ein kleines Wäldchen durchquert und endlich wieder freies Feld vor sich, da sahen sie linker Hand eine winzige Scheune, nicht größer als eine Doppelgarage. Dahinter das Windrad. Plötzlich öffnete der Himmel seine Schleusen.
    »Schnell, da rüber«, rief Beck und ohne Evas Reaktion abzuwarten, rannte er auf die Scheune zu.
    Aber die Scheune war abgeschlossen. Ein rostiges Vorhängeschloss sicherte das zweiflüglige Tor.
    »Lass mich mal.« Eva rüttelte am Tor.
    Vergeblich. Der Regen peitschte ihnen in den Rücken, sie waren be reits völlig durchgeweicht, und Thomas ließ mit geschlossenen Au gen alles über sich ergehen. Er kniete in einer wachsenden Pfütze. Das war das Ende.
    Beck schob Eva zur Seite. Er nahm einen der zusammengelesenen Feldsteine neben der Scheune, hob den Brocken über seinen Kopf und ließ ihn mit aller Kraft auf das Schloss niedersausen. Noch ein zweiter Schlag, ein dritter, dann riss das Scharnier aus dem Holz. Beck schob Eva und Thomas vor sich her ins Trockene, dann folgte er mit dem Handwagen. Das Tor zog er hinter sich zu.
    »Geschafft.« Er riss sich die nassen Kleider vom Leib und wickelte sich in eine ihrer Decken. Die anderen warf er Eva und Thomas zu.
    »Na macht schon oder wollt ihr eine Erkältung riskieren?« Eva drehte sich um und zog sich ebenfalls aus, einzig Thomas schien durch den aufs Dach trommelnden Regen hindurch einer wichtigeren Botschaft zu lauschen. Als Eva ihm das Hemd öffnete, schrak er regelrecht zusammen.
    Pfui, nimm die Finger weg, Weib, schrie Nummer zwei in ihm. Sie will uns, ich weiß genau, was sie will! Letzte Nacht erst und jetzt schon wieder! Als ob das eine Kind in ihr nicht reicht!
    Thomas ging einen Schritt zurück.
    »Es ist alles gut, Thomas«, flüsterte Eva. Der Wind rüttelte am Tor und pfiff durch die fingerdicken Spalten zwischen den alten Brettern, mit denen die Scheune verkleidet war. »Du musst dich ausziehen, Thomas, sonst wirst du krank.« Sie selbst hatte sich eine Decke, wie ein Ba detuch, um den Körper geschlungen und über den Brüsten inein ander gesteckt. »Schau doch, Joachim hat sich auch in eine Decke gewickelt. Er will nicht krank werden und du doch auch nicht.«
    Behalten wir die Kleider an, zischte Nummer drei. Erst ein leichtes Frösteln, dann Husten und Fieber, dann wird es warm in unserm Kopf. Die Lungen werden bald schmerzen, ooohhh jaaaa, und der Schmerz und die Hitze breiten sich aus, langsam und im ganzen Körper, fressen uns von innen auf. Nein, wir ziehen uns nicht aus! Die Welt ist ein ba- bylonischer Sündenpfuhl, Sodom haust in dieser verfallenen Hütte. Kommt, ihr lieben kleinen Tierchen, kooommt.
    Sie hatte es schließlich mit viel Geduld geschafft, ihm das Hemd zu öffnen. Aber als sie seine Hose oben am Bund berührte, katapultierte ihn etwas in die hinterste

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