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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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besetzt und vor morgen früh, schätzte er, würde auch keiner diese Bleibe verlassen. Er könnte Feuer legen, überlegte er und lächelte dazu. Er könnte das Tor von außen ver rammeln, mit einem Baumstamm vielleicht, und dann ihrem Schreien lauschen. Aber so verlockend die Vorstellung auch war, er wusste, selbst wenn die durchweichte Scheune brennen sollte, würden sich dann nicht nur diese drei Gestalten in Rauch auflösen, sondern auch sein Geld! Aber wenigstens wärmte ihn die Vorstellung, ih nen beim langsamen Verbrennen zuzuhören, ein ganz klein wenig. Nein, er wollte diesen Polizisten lebend. Am Anfang. Das Weib und der Komiker aus der Klinik waren ihm egal. Obwohl – das letzte Zusammensein mit einer Frau lag Jahre zurück. Vielleicht sollte sie ihm erst später egal werden. Aber immer eins nach dem anderen. Eins nach dem anderen, hatte seine Mutter schon immer gesagt (sie arbeitete in einem Bordell). Und sie musste es wissen.
    Zuerst wäre der Bulle dran. Fuchs glaubte fest, dass sein Gegner, sollte es zu einem offenen Aufeinandertreffen kommen, ihm zwar an Jugend und Kraft überlegen wäre, ihn die Verletzungen aber in einem offenen Kampf stark behindern würden. Seit der Geschichte am Bus hatte der Polizist beide Hände verbunden und ließ sogar die Frau und den anderen den Handwagen ziehen! Ein netter kleiner Vorteil, freute sich Fuchs.
    Er würde den Polizisten ganz langsam erledigen und dies genießen. So wie Ergk es immer tat, der giftige, kleine Köter seiner Mutter. Ergk war ein Terrier, erinnerte sich Fuchs, mutig und – wenn es darum ging, einen unzufriedenen Kunden doch zur vereinbarten Zahlung zu überreden – wirkungsvoller als mancher Zuhälter. Sobald seine Mutter die Stimme im Zorn erhob, begann Ergks Knurren. Da bei hob er die Lefzen, sodass der Kunde jeden einzelnen der messerscharfen Zähne sehen konnte (die meisten nahmen den bis dahin friedlich in seinem Körbchen schlummernden Hund in diesem Moment erst wahr). Danach bedurfte es meist keiner weiteren Argumente, damit Mutter ihre Kohle doch noch bekam. Egal, wie schlecht ihr Engagement vorher auch gewesen sein mochte. Dass dies in der Re gel wirklich mies war, für was sie so Geld verlangte, und das er durch die angelehnte Tür – sie arbeitete zu Hause – auch beobachten konnte, merkte er erst Jahre später, als er selbst tatendurstig begann, das andere Geschlecht zu erkunden.
    Ergk liebte Katzen. Und er liebte es nicht nur, diese um den Block oder aus dem ungepflegten Vorgarten zu jagen, vor allem liebte er es, wenn er eine von ihnen erwischt hatte, diese mit fast menschlich anmutendem Sadismus zu quälen. Er hielt dabei das Genick seiner Beute im Fang und biss zu, schmerzhaft, aber nicht tödlich. Erst, wenn die Katze mucksmäuschenstill seine Überlegenheit anerkannte, ließ er ein wenig locker, was sein Opfer wiederum zu neuem Zappeln animierte und …? Richtig, die Kiefer schlossen sich wieder fester.
    So ging das oft stundenlang, das Spiel schien ihm niemals überdrüs sig zu werden. Und so wollte Fuchs es bald auch mit seiner Beute machen, so wie der gute alte Ergk, Gott hab ihn selig.
    »Ein Feuer wäre nicht schlecht«, sagte Eva und wickelte sich noch etwas fester in die dünne Decke. Sturm und Regen hatten weiter zugenommen und an ein Weitergehen war nicht zu denken. Schon gar nicht, wenn man einen Reisebegleiter wie Thomas Bachmann an seiner Seite wusste.
    Beck nickte. Seine Gedanken aber waren bei dem, was morgen auf ihn wartete. Wie sollte es in Wellendingen für ihn weitergehen? Bleiben? Oder weiterlaufen? Aber wohin? Zu wem?
    »Weißt du, auf was ich jetzt Appetit hätte?«, fragte Eva. »Auf Schweinebraten. Mit Klößen. Und Rotkraut!«
    »Ich hätte gern Nummer dreiundsechzig – Bandnudeln mit Lachs und einer Estragon-Sahne-Soße – und dazu ein Glas von Ihrem besten Weißwein. Aber bitte den halbtrockenen vom letzten Mal«, mimte Beck den hungrigen Gast und sah zu einem imaginären Kellner auf, der neben ihm stand und alles notierte.
    »Oh ja. Lachs.« Eva schloss die Augen und gab sich nur zu gern ihren Fantasien hin. »Mit Spinat und Salzkartoffeln.«
    »Zum Glück haben wir die Scheune hier gefunden. Stell dir vor, wir müssten bei dem Sauwetter irgendwo draußen campieren!« Beck schüttelte sich.
    Eva sah ihm dabei amüsiert zu. Aber dann wurde sie plötzlich nachdenklich. »Denkst du, es wird irgendwann einmal wieder so wie, wie – früher?« Ihr war die Überwindung anzumerken, die es sie kostete,

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