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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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bereit. Die wenigen Stunden Schlaf hatten gut getan. Er hatte von Eva geträumt und sie berührt – eine letzte Berührung vor dem Sterben. Aber als er die Augen öffnete (Wozu? Es ist stockfinster.), hatte er plötzlich einen Kloß im Hals. War es das, was er zu sehen glaubte? War er bereits tot und dies die Eingangspforte zum vielgepriesenen Danach? Hans lehnte neben Malow an der feuchten Wand. Sein Bein fühlte sich so gut an wie seit Tagen nicht, dafür war aber sein Rücken ein ein ziges kaltes, hartes Brett. Malow schlief noch. Seine tiefen, regelmäßigen Atemzüge waren das einzige Geräusch im Keller. Fast das Einzige. Hans konnte Vögel zwitschern hören, gedämpft und fern zwar, aber eindeutig Vögel. Und er konnte sehen! Und zwar nicht einfach nur einen dämmrigen Schatten, der sich einen verwinkelten Irrweg zwischen den Trümmern gesucht hatte, sondern er konnte einen grellen, gleißenden Lichtstrahl sehen! Direkt über Hans warf die eben aufgegangene Sonne einen Gruß in den Keller! Es war das schönste Licht, das Hans jemals zu sehen bekommen hatte! Es bedeutete Hoffnung. Ohne den Blick abzuwenden, stieß er Malow den Ellenbogen in die Seite. Dessen Atem stockte, Malow brummelte etwas Unverständliches – und schlief weiter. Wenn es jemals einen Moment gegeben haben sollte, der Licht und den Begriff Hoffnung miteinander verband, so war er wie dieser. Licht bedeutete Leben. Und Leben bedeutete, dass man noch nicht tot war, dass Hoffnung bestand. Wenn dieser einzelne breite Lichtstrahl einen Weg hier hineingefunden hatte, dann musste es auch einen Weg hinaus geben!
    Hans blickte sich im Keller um. Der ohnehin schon kleine Raum hat te die Hälfte seiner Fläche durch das durch die Decke gebrochene Geröll eingebüßt. Hereingestürzt war eine wilde Mischung aus Feldsteinen, die das Mauerwerk des Hauses gebildet hatten, aus Brettern und Balken, aus Dachziegeln. Dort, wo sich bis zur Nacht die verrie-gelte Eingangstür befunden hatte, stieg der Schutt wie eine Pyramide auf und endete im Deckengewölbe. Auf dem Schutt lag Silvia auf der Seite und schlief. Ihre Hände, konnte Hans erkennen, hatten in der Nacht geblutet. Ihr Kleid war verrutscht. Sie hatte die Beine wie ein kleines Kind angewinkelt und blutverkrustete Knie. Ihre dicke Brille saß schief auf ihrer Nase.
    Hans genoss diesen Augenblick, in dem er mit seiner Hoffnung noch allein war. Alles war wieder möglich! Dann stieß er Malow den Ellenbogen erneut zwischen die Rippen, diesmal etwas heftiger.
    »Wach endlich auf! Es gibt Arbeit!«
    Eine Stunde später hatten sie eine Öffnung freigelegt, die es Silvia erlaubte, einen ersten Blick auf die Reste der Staumauer zu werfen. Ihre seit zwanzig Minuten wieder weinende Tochter war noch hinter einem Steinhaufen verborgen, aber ihr Weinen, welches vom ohrenbetäubenden Geschrei beim Erwachen inzwischen in müdes Schluchzen übergegangen war, gab Silvia Kraft. Larissa lebte! Kein wildes Tier hatte die Gunst der Nacht genutzt und das Seil um den Bauch der Klei nen beschützte sie vor einem Sturz in den fast leeren Stausee. Die anfangs kaum faustgroße Öffnung, durch die die Morgensonne in das Verlies schien, war der Rest eines der beiden Kellerfenster. Ma low nahm Silvia auf seine Schultern. Einen Stein nach dem anderen zog sie heraus und warf ihn hinunter. Bald hatte das Geröll unter der Öffnung den Boden so weit angehoben, dass Silvia absteigen konnte und alle drei nun gemeinsam anpackten. Aber das, was zu Anfang noch wie ein beschauliches Steine-aus-dem-Weg-räumen ausgesehen hatte, entpuppte sich schnell als eine nicht ungefährliche Knochen arbeit. Immer wieder rutschten von der Ruine oberhalb des Kellers Bruchstücke nach und verschütteten die Öffnung abermals. Einmal brach ein Stück der Decke auf der anderen Seite des Kellers ein und eine weitere Welle Stein und Holz polterte herein.
    »Was, wenn die hier auch bricht?« Silvia zeigte auf die Risse über ihrem Kopf. Inzwischen arbeiteten die drei mehr oder weniger auf den Knien.
    »Was wohl«, antwortete Malow. Er rollte einen Brocken aus drei festgebackenen Mauersteinen zur Seite. Obwohl sie jetzt schon drei Stunden an ihm arbeiteten, war das Loch kaum größer geworden. Aber das Loch war da und mit ihm auch Hoffnung. Von Larissa hatten sie in der letzten Stunde nichts mehr gehört, entweder war sie eingeschlafen oder …
    Silvia wollte nicht daran denken. Sie schuftete für zwei. Was bedeuteten schon blutende Hände und abgebrochene

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