Rattentanz
und ein kleines Feuer entfacht. Nachdem sie etwas gegessen und getrunken hatten, war zuerst Larissa im Arm ihrer Mutter eingeschlafen, Silvia, Hans und Malow folgten ihrem Beispiel. Erschöpfung, Angst und Kampf der vergangenen Stunden forderten ihren Tribut. Und so bemerkten sie die vier Frauen und zwei Männer auch erst, als diese direkt neben ihnen standen. Die Menschen kamen aus einem kleinen Dorf, keine vier Kilometer von hier. Die Sprengung der Staumauer war in der Nacht wie die Donner der Apokalypse über sie hinweggerollt. Nachdem die wenigen Menschen im Dorf bis in den frühen Vormittag hinein beratschlagt hatten, hatten sich schließlich sechs Personen aufgemacht, den Grund der Explosionsgeräusche zu ermitteln. Sie schwankten zwischen Angst und Hoffnung. Angst, dass sich zu den Katastrophen der letzten Wochen eine weitere hinzugesellte und sie hatten Angst vor einer ernüchternden Wahrheit. Aber sie trieb auch Hoffnung. Silvia erwachte, als ihr eine der Frauen gegen den Fuß trat. Nur ein Traum. Wildschweine und Menschen, vielleicht ist das Deckengewölbe endlich ganz eingestürzt. Träume. Zwei Stunden später erreichten sie das Dorf. Silvia trug Larissa im Arm und Hans wurde von den beiden Männern auf seinem Schlitten gezogen, Malow stolperte hinterher.
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11. Juli, 15:09 Uhr, Wellendingen
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Bubi Faust hatte Eva Seger das Leben gerettet! Bubi Faust war ein Held! Aber das war mittlerweile über drei Wochen her und, die direkt Beteiligten ausgenommen, schon fast vergessen. Alles wurde von Chris toph Eiseles Rückkehr überschattet. Oder überstrahlt, wenn man so will. Die Hoffnung, die Eisele im Gepäck hatte, versetzte das kleine Dorf für kurze Zeit in einen wahren Freudenrausch.
Nach seinem Sieg über Hermann Fuchs war Bubi Faust der erste wirkliche Held der neueren Geschichte Wellendingens. Wieder und wieder musste er den Ablauf des Zusammentreffens beschreiben und weder Thomas noch Assauer korrigierten ihn, wenn er die Geschichte zu sehr zu seinen Gunsten ausschmückte.
Eckard Assauer sorgte dafür, dass Martin Kiefers Verstrickungen in den Fall umgehend bekannt wurden. »Martin Kiefer steckt hinter allem. Das waren Hermann Fuchs’ letzte Worte«, erzählte Assauer später im Rat. Bubi konnte diese Aussage bestätigen. Und er hatte seinen Freund rechtzeitig warnen können. Nicht auszudenken, wenn Kie fer irgendwann in der Nacht ahnungslos ins Dorf spaziert wäre. Bubi und Kiefer trafen sich in der Nacht noch wie vereinbart auf dem Hardt. Im Schutz des erhobenen Flugzeugfingers erzählte Bubi, wie Fuchs ohne auf ihn zu warten das Versteck viel zu früh verlassen und zu allem Überfluss auch noch Lea als Geisel genommen hatte. Bubi berichtete vom Verrat des Landstreichers und dass er ihn hatte töten müssen. »Ich hatte keine andere Wahl«, entschuldigte sich Bubi in jener Nacht. »Aber ich war zu langsam. Assauer hat genau verstan den, wen Fuchs beschuldigte. Und jetzt erzählt er es überall he rum.«
Kiefer hörte zu. Unter seiner versteinerten Miene bewegte sich kein Muskel, nur ein Mundwinkel zuckte. Dann fragte er: »Deinen Namen hat er auch genannt?«
»Nein. Dafür waren meine Kugeln zu schnell. Bevor er auch noch mich verraten konnte, war er tot.«
»Dann bist du jetzt der große Retter, was?«
Bubi wurde rot, eine Mischung aus Scham und Stolz. Er hatte in dieser Nacht etwas Gutes getan. Und jetzt saß er hier, um dieses Gute wieder zu zerstören.
»Dich verdächtigt also niemand?«
»Bis jetzt nicht. Glaub ich.«
Kiefer starrte in die Nacht. Seltsam, dachte Bubi, dass er nicht einmal wissen will, wie es Eva geht.
»Was willst du jetzt machen?«, fragte Bubi, als ihm die Pause zu lang wurde. »Ziehst du jetzt unsere Sache durch? Auch ohne Eva?«
Kiefer schüttelte, wie nicht anders zu erwarten, den Kopf.
»Natürlich nicht! Glaubst du, ich investiere so viel Arbeit und verzichte dann auf den Lohn? Ich gehe nach Bonndorf. Du bleibst hier. Was einmal fast geklappt hat, funktioniert bestimmt beim zweiten Mal. Aber noch einmal verlassen wir uns nicht auf andere, Bubi. Jetzt machen wir es selbst!«
»Das mit Bonndorf dürfte keine so gute Idee sein«, warf Bubi ein.
»Wieso?«
»Mettmüllers Suchtrupp war an der Stadtgrenze. Als die dort gehört haben, was passiert ist, haben sich fünf oder sechs Mann Mettmüller angeschlossen. In Bonndorf weiß man also, dass du hinter allem steckst.«
»Scheiße!« Kiefer war aufgesprungen und trat gegen das Flugzeugwrack. Es gab einen
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