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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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das Äußere unterhalb der Schultern – zu diesem Kind verholfen. Die Hoffnung, die durch das Zusammentreffen mit Hans Seger und Henning Malow in ihr wuchs, hatte der Glück lichste Mann der Welt mit in seinen sinnlosen Tod genommen. Hoffnung ist ein seltsames Gewächs, dachte Silvia. Hoffnung kann Berge versetzen und einen Menschen sogar die eigene Hässlichkeit vergessen lassen. In dieser Welt ohne Spiegel und ohne Fremde und deren Blicke war sogar das Leben nach der Katastrophe erträglich. Ach was, erträglich! Das Leben war schön, seit sie mit den beiden Männern unterwegs war und es gab nichts, was sie vermisste. Ihr Instrument vielleicht, aber mehr auch nicht.
    »Was macht dein Bein?«, fragte Malow.
    »Ist gut.« Es war noch immer geschient, aber Hans konnte es ohne Schmerzen bewegen. »Die Ruhe hat ihm, glaub ich, gut getan. Ist deutlich abgeschwollen.«
    »Vielleicht hast du auch abgenommen.«
    »Abgenommen? Bei der Verpflegung?« Sein Lachen klang müde.
    »Wären wir nur weitergezogen, so wie ich es gesagt habe!«
    »Bringt uns das jetzt noch was?«
    »Natürlich nicht. Aber man wird es ja wohl noch sagen dürfen. Wir haben niemanden flussabwärts retten können und sind nun auch selbst bald hinüber. Danke Silvia, vielen, vielen Dank!«
    Silvia schluchzte laut auf und zog den Rotz hoch.
    »Hör auf!«, sagte Hans.
    »Wir könnten schon sonst wo sein, wenn ich mich nicht von dir hätte erpressen lassen!«
    »Hör auf, Malow! Hättest dich eben nicht erpressen lassen dürfen. Du bist mindestens genauso schuld wie jeder andere hier. Larissa mal ausgenommen. Zu allem gehören immer zwei: einer, der erpresst und einer, der sich erpressen lässt. Fertig!«
    Malow zog es vor, den Mund zu halten und Hans versuchte, Silvia zu trösten.
    »Solange wir leben, gibt es Hoffnung«, sagte er. In ihm zog sich alles zusammen. Er log und das Schlimme daran war: er wusste, dass er log. Es lag völlig klar auf der Hand, er würde Eva und Lea niemals wiedersehen. Selbst in einer funktionierenden Welt wäre diese Situation eine Katastrophe.
    »Hoffnung?« Silvias Lachen war bitter. »Du bist gut, Hans. Dein Bein ist gebrochen und du sitzt buchstäblich im Dreck. Und du sprichst von Hoffnung?«
    »Wir könnten schreien«, schlug Hans vor. »Vielleicht ist irgendwo jemand in der Nähe und hört uns. Hoffnungslos wird es erst, wenn wir aufgeben und uns ergeben.«
    Malow schüttelte den Kopf. »Das Rauschen des Wassers wird jeden Ruf wegspülen.«
    »Wisst ihr, was ich als Erstes mache, wenn ich wieder in Wellendingen bin? Ich gehe in die Krone, das ist unser Gasthaus. Und dort trinke ich ganz in Ruhe ein kühles Bier!«
    »Und ich dachte, du willst zu Frau und Kind«, lachte Malow. »Sieh mal an, so kann man sich täuschen.«
    »Du weißt genau, was ich meine! Natürlich gehe ich erst in die Kro ne, nachdem ich bei Eva und Lea-Maus war!«
    »Ja ja, von wegen. Der nahe Tod löst die Zunge, was?« Malow fand Spaß an der eigenen Ironie. »Wir haben also die Ostsee auf einem Floß
    überquert und ziehen nun quer durch ganz Deutschland, damit du ein kühles Bier bekommst. Prima.«
    »Was hast du vorhin gemeint, als du gesagt hast, du hättest deine Frau getötet? Ich denke, du bist seit dreißig Jahren Witwer?«
    Malow wurde still. Er starrte vielleicht eine halbe Minute in die Dunkelheit und Hans und Silvia dachten schon, er werde nie antworten. Dann sagte er: »Sie hieß Lena. Früher, als wir heirateten, war sie die schönste Frau der Welt. Wir kannten uns eine Ewigkeit, schon als Kinder haben wir zusammen gespielt. Aber dann hatten wir den Unfall und sie verlor ihre Beine.« Malow erzählte von ihrer Ehe, von der anderen Frau und seinen Schuldgefühlen. Er sprach leise und spielte dabei mit einem feuchten Stein und warf ihn von einer Hand in die andere. Er erzählte von den Jahren in Schweden, wie er sie gepflegt hatte und sie ihn immer neu schikanierte. »Wahrscheinlich würde ich es noch einmal genau so machen«, sagte Malow. »Sie einfach verlassen, meine ich. Wisst ihr, ich denke, ich habe für meinen Fehler aus-reichend Buße getan. Siebenundzwanzig Jahre habe ich sie gepflegt. Wisst ihr, was das bedeutet? Ich habe sie gewaschen, mindestens zwei Mal am Tag, oft auch drei oder vier Mal, vor allem im Sommer. Ich ha be gekocht und das Haus sauber gehalten und war einkaufen. Und immer hat sie mich dabei beobachtet und mir deutlich zu verstehen gegeben, dass sie mir die Schuld an allem gibt. Nach siebenundzwanzig Jahren war

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