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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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den verriegelten Haupteingang bemerkten, begannen sie, die quadratischen kleinen Steine des Kopfsteinpflasters herauszubrechen und nach wenigen Minuten hatte das abweisende Gebäude kein einziges intaktes Fenster mehr, glotzte mit schwarzen Augenhöhlen durch Gitterbrillen auf die Steinewerfer und ihre Wut herab.
    Der Bodybuilder, der Beck unfreiwillig zur Flucht verholfen hatte, indem er ihn durch das offene Fenster der Bank schleuderte, war inzwischen zum Hinterhof des Reviers geschlichen. Dieser Ort war ihm bestens vertraut. In den vergangenen Jahren hatte man ihn ganze sechs Mal verhaftet und immer wurde der Polizeiwagen hier hinten abgestellt und er von seiner Eskorte in den dunklen Flur zum Revier gestoßen.
    Es waren keine großen Sachen, weswegen sie ihn mitgenommen hat ten. Einmal Handel mit Anabolika, einmal Nötigung (er schwor heute noch felsenfest, dass die Kleine es genau so gewollt und ihren Spaß dabei gehabt hatte, wenn sie vor dem Richter dann auch alles ver drehte). Die restlichen Festnahmen erfolgten wegen Körperverletzung. Aber war es denn ein Verbrechen, einem Kerl, der dein Mädchen dumm von der Seite anmacht, die Leviten zu lesen? Wo käme man hin, wenn jeder das Mädchen des anderen anbaggern dürfte? Nein, da war sich Daniel Ritter, der Bodybuilder, sicher, irgendwo hört die Freundschaft auf, was er damals dem vermeintlichen Konkurrenten auch überdeutlich erklärt hatte. Mit Hilfe beider Fäuste, versteht sich.
    Im Flur traf er auf Storm, den Dienstgruppenleiter. Ritter kannte Storm von einigen Verhören recht gut und erkannte ihn sofort an dessen kahlen Schädel und der gedrungenen Körperhaltung. Storm wäre in einem fairen Kampf, Mann gegen Mann, ein ernstzunehmender Gegner gewesen, aber Ritter hatte keine Lust auf einen fairen Kampf. Was würde das bringen, wem würde das helfen? Ihm bestimmt nichts! Also hatte er sich instinktiv für das Überraschungsmoment entschieden und Storm mit einem gezielten Faustschlag niedergestreckt. Bye bye Bulle, schlaf schön!
    Beck spürte, dass mit Storm, der den Hintereingang verschließen wollte, etwas nicht stimmen konnte. Er hätte längst zurück sein müssen!
    Joachim Beck saß in einer vergitterten Mausefalle, war die Maus in diesem Spiel, und umzingelt vom Mob. Und einer von ihnen, ein Tier mit glänzenden, zum Zerreißen gespannten Muskelsträngen, drückte bereits behutsam die Hintertür auf und warf einen ersten vorsichtigen Blick in den großen Raum, in dem Joachim Beck gefangen saß. Durch die glaslosen Fensteröffnungen drangen wütenden Rufe herein. »Kindermörder«, riefen sie und »Verrecken sollt ihr.« Steine flogen.
    Beck blickte sich um. Wo war der Ausweg?! Hinter dem verschlossenen Haupteingang und den vier vergitterten Fenstern lauerte Gesindel, das nur darauf wartete, ihn zwischen die Finger zu bekommen und zu zerreißen. Der einzige weitere Ausgang führte über einen dunklen Flur zum Hinterhof, durch eine Tür, die Storm hatte sichern wollen. Oder hatte Storm angesichts der unberechenbaren Situation das Weite gesucht?
    Becks Blick fiel auf den Stahlschrank hinter Salms Schreibtisch. Der Waffenschrank – voll gestopft mit schussbereiten MP5, Maschinenpistolen made in Germany!
    Beck duckte sich und rannte durch den Raum, suchte dabei immer wieder hinter einem Schreibtisch Schutz vor den hereinfliegenden Steinen. Wie erwartet war der Waffenschrank verschlossen. Beck begann den Schreibtisch des Revierleiters zu durchsuchen, riss eine Schublade nach der anderen heraus und verstreute den Inhalt auf dem Boden.
    »Suchst du den hier?«
    Beck sah auf, wie vom Donner gerührt und halb gebückt hinter dem Schreibtisch eingefroren. Auf der anderen Seite stand Ritter vor ihm, der Bodybuilder, mit einem breiten, unfreundlichen Grinsen auf den Lippen. Seine Augen funkelten eiskalt und mit einem Anflug von Vorfreude.
    »He, das hier suchst du doch! Oder etwa nicht, Bulle?!« In der ausgestreckten Hand hielt er einen Schlüsselbund. Beck erkannte daran den markanten Schlüssel zum Waffenschrank, lang und glänzend, mit einem eigentümlichen Doppelbart am Ende. Richtig, fiel es ihm ein, Salm musste, als er das Revier verlassen hatte, den Bund mit allen wichtigen Schlüsseln dem zurückbleibenden Dienstgruppenleiter, also Storm, gegeben haben! Und wenn jetzt dieser hirnlose Muskelberg im Besitz der Schlüssel war, musste Storm … Er weigerte sich, den Gedanken zu Ende zu denken und richtete sich auf.
    »Willst du ihn dir nicht holen?«

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