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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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bum klopfte es unter der Wunde.
    Fuchs’ Worte hallten in ihm nach. Amputation. Das Wort hatte eine erschreckende Endgültigkeit. Abschneiden. Absägen. Und das war es dann, ohne Wenn und Aber. Annähen ging später nicht mehr.
    »Lieber verreck ich hier, hörst du? Mein Bein wird niemand absägen, auch du nicht. Sind hier schließlich nicht im Krieg.«
    Fuchs stieß den imaginären Rauch seiner Zigarette aus und schnippte wie gewohnt mit dem Daumen an ihr, um die nicht vorhandene Asche abzuklopfen.
    »Kam mir aber schon fast so vor.«
    »Wie Krieg?«
    Fuchs nickte ungesehen im Dunkeln. Dann sagte er: »Glaubst du viel leicht, morgen früh macht hier irgend eine nette Schwester mit weitem Ausschnitt und dicken Dingern drunter die dämliche Tür da auf und alles ist in bester Ordnung? Selbst wenn, Alter, selbst wenn morgen alles wieder funktionieren sollte, was meinst du wohl, was die mit dir machen, he? So, wie du den Bullen abgemurkst hast, kommst du nie wieder aus dem Knast raus. Arschficken für den Rest deines Lebens. Aber in deinen Arsch!« Fuchs schien der Gedanke zu amüsieren.
    »Redest ja gerade so, als wärst du schon mal drin gewesen.«
    Fuchs ignorierte den Einwurf und fuhr mit seinen Betrachtungen fort: »Hätte ich die Wahl zwischen meinem Arsch und meinem Bein, ich würde mich wahrscheinlich von meinem Bein verabschieden und dann lustig weiter in Freiheit herumhumpeln. Aber dafür wäre mein Allerwertester noch heil, verstehst du? Aber zum Glück muss ich das nicht entscheiden. Ganz im Gegensatz zu dir«, fügte er hinzu.
    »Hast du ’ne Ahnung, was eigentlich passiert ist heute? Ich denke schon die ganze Zeit drüber nach, aber mir fällt nix ein, Mann. Terroristen vielleicht?«
    »Ooch«, Fuchs streckte sich, dann setzte er sich bequemer hin. »Da gibt’s schon ’ne ganze Menge Typen, die das angezettelt haben könnten. Da«, er zeigte im Dunkeln in die ungefähre Richtung, in der er Mehmet vermutete, »unser kleiner Freund zum Beispiel.«
    Ritter musste bei der Vorstellung, dass Mehmet hinter allem stecken sollte, trotz seiner Schmerzen lachen. »Glaubst doch nicht im Ernst, dass der kleine Bengel was damit zu tun hat!«
    »Er selber natürlich nicht! Aber seine ganzen Kumpel, die ganzen Araber und Moslems und so. Du wirst sehen, jetzt machen die sich noch mehr hier bei uns breit. Und wir müssen alle in Zukunft nach Mekka pilgern und statt Kirchenglocken gibt’s Musinegeschrei.«
    »Gibt’s was?«
    »Na der Musine, der von denen ihren Kirchtürmen runterruft.«
    »Muezzin heißt das, glaub ich.«
    »Meinetwegen. Aber du wirst sehen, die stecken dahinter!«
    »Und wer kommt noch infrage?«
    Fuchs rutschte ein Stück näher und senkte die Stimme. »Juden, könnte ich mir noch ganz gut vorstellen. Jetzt echt. Die haben Kohle ohne Ende, haben sich überall ganz oben eingeschlichen mit ihrem ständigen Lächeln und ihrer Katzbuckelei. Und denk mal nach, Mann: Wer verdient hinterher daran, wenn alles wieder aufgebaut werden muss? Wem nützt es, wenn es bei uns bergab geht? Und wer hat noch ’ne alte Rechnung mit den Deutschen offen, he? Die Juden!«
    Ritter antwortete nicht sofort, sondern dachte einige Sekunden über das mit den Juden nach. Schien irgendwie Sinn zu machen.
    »Und wenn die es auch nicht waren, wer dann?«
    »Dann haben die in Berlin vielleicht einfach keine Lust mehr gehabt, weiterzumachen und ruck, zuck alle Hauptschalter umgelegt und sich dann aus dem Staub gemacht.« Beide mussten bei dieser Vorstellung lachen: Das Bundeskabinett beschließt mit nur einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen, die Lichter zu löschen. Alle trinken noch gemütlich ihr Mineralwasser aus, dann machen sie sich davon.
    »Vielleicht hat sich aber auch der Typ da unten«, Fuchs klopfte auf den gefliesten Boden, »der rote, mit den Hörnern, verstehst du − vielleicht hat der auch gedacht: He, is mal wieder an der Zeit, den alten Chef ein bisschen zu ärgern.«
    »Und wenn es der Chef nun selbst war?«
    »Du meinst, so ’ne Art Sintflut, nur halt ’n bisschen zeitgemäßer?«
    Fuchs kratzte sich am Kopf, die Zigarette im Mundwinkel. »Gar nicht so dumm, die Idee.«
    Er lehnte sich zurück und sah nach oben, zur Decke. Juden, Teufel oder Gott persönlich – spielte das überhaupt eine Rolle? Nein, entschied Fuchs, das war sozusagen scheißegal. Genauso scheißegal wie Ritter und der Türkenbengel. Wen interessierte schon das Warum. Ihm war es egal. Er hatte keine Lust, hier zu sterben, auch nicht, wenn

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