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Raum

Raum

Titel: Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Donoghue
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Flasche, auf der ein Junge Handstand macht, und sie eins aus der großen Flasche mit dem Bild von einer Frau, die Tennis macht. Vitamine sind Medizin, damit man nicht krank wird und zu früh in den Himmel kommt. Ich will da überhaupt nie hin, ich will nicht sterben, trotzdem Ma sagt, es ist gar nicht so schlimm, wenn wir erst mal hundert sind und keine Lust mehr auf Spielen haben. Außerdem nimmt sie eine Scherztablette. Manchmal nimmt sie auch zwei, aber nie mehr als zwei, weil manche Sachen zwar gut für einen sind, aber bei zu viel sind sie plötzlich schlecht.
    »Ist es Schlimmerzahn?«, frage ich. Der wohnt ganz hinten in ihrem Mund, oben, und der ist der Schlimmste.
    Ma nickt.
    »Warum nimmst du nicht an jedem Teil von jedem Tag zwei Scherztabletten?«
    Sie verzieht das Gesicht. »Dann würde ich abhängig.«
    »Was ist …«
    »Abhängig wäre, als wenn ich an einem Haken festhinge, weil ich sie dann immer bräuchte. Wahrscheinlich brauche ich sowieso bald immer mehr.«
    »Was ist denn daran so schlimm, wenn man was braucht?«
    »Das ist schwer zu erklären.«
    Ma weiß alles, außer den Sachen, an die sie sich nicht mehr erinnert. Und manchmal sagt sie auch, dass sie mir etwas noch nicht erklären kann, weil ich zu jung bin.
    »Sobald ich nicht mehr an meine Zähne denke, tun sie auch nicht mehr so weh«, erklärt sie mir.
    »Wie geht das denn?«
    »So was nennt man Willenssache. Wenn ich es nicht will, ist die Sache auch nicht mehr so wichtig.«
    Wenn von mir ein Teil wehtut, ist die Sache immer wichtig. Ma streichelt mir die Schulter, trotzdem meine Schulter gar nicht wehtut, aber es gefällt mir trotzdem.
    Ich verrate ihr immer noch nichts von dem Netz. Es ist komisch, wenn ich etwas ganz für mich allein habe, ohne Ma. Alles andere gehört uns beiden zusammen. Ich nehme mal an, dass mein Körper mir allein gehört und die Ideen, die in meinem Kopf passieren. Aber meine Zellen sind aus ihren Zellen gemacht, also gehöre ich irgendwie auch ihr. Und wenn ich ihr sage, was ich denke, und sie mir sagt, was sie denkt, dann springen die Ideen von jedem von uns in den anderen Kopf, so wie wenn man mit blauem Buntstift über gelben malt, dann wird grün draus.
    Um 08:30 drücke ich den Anschalter von Fernsehen und probiere alle drei aus. Ich finde Dora, hurra! Ganz langsam schiebt Ma Häschen hin und her, damit es mit seinem Kopf und seinen Ohren das Bild besser macht. Einmal, als ich vier war, ist Fernsehen gestorben, und ich habe geweint, aber am Abend hat Old Nick dann einen Zauberkonvertor mitgebringt und damit Fernsehen wieder lebendig gemacht. Hinter drei sind alle anderen Kanäle total fusselig, und wir gucken die nie, weil es schlimm für die Augen ist. Nur wenn Musik kommt, legen wir Mummeldecke drüber und hören einfach durch ihr graues Fell und wackeln mit dem Popo.
    Heute lege ich Dora zur Begrüßung meine Finger auf den Kopf und erzähle ihr von meinen neuen Superkräften, weil ich jetzt fünf bin. Sie lächelt. Sie hat riesig viel Haar, einen richtigen braunen Helm mit spitzen Zacken und so groß wie der Rest von ihr. Ich setze mich in Bett auf Mas Schoß und gucke zu. Ich rutsche ein bisschen hin und her, damit ich nicht auf ihren spitzen Knochen sitze. Ma hat nicht viele weiche Stellen, aber die sind dafür superweich.
    Dora sagt manchmal Sachen, die gar keine richtige Sprache sind, sondern Spanisch, zum Beispiel lo hicimos. Sie hat immer Rucksack dabei, der ist innen größer als außen und hat alles drin, was Dora so braucht, zum Beispiel Leitern oder Raumanzüge oder Sachen zum Tanzen oder für Fußball oder Flöte spielen und für die Abenteuer mit ihrem allerbesten Affenfreund Boots. Dora sagt immer, dass sie meine Hilfe braucht, ob ich zum Beispiel irgendein Zauberding finden kann, und dann wartet sie, bis ich Ja sage. Ich rufe: »Hinter der Palme«, und schon klickt der blaue Pfeil direkt hinter die Palme, und sie sagt: »Danke.« Die anderen Personen im Fernsehen hören einem überhaupt nicht zu. Die Karte zeigt jedes Mal drei Orte, am Anfang müssen wir an den ersten, damit wir von da an den zweiten kommen und von da dann an den dritten. Ich gehe mit Dora und Boots los, die zwei halten Händchen. Ich singe alle Lieder mit, besonders die mit Purzelbaum oder Abklatschen oder dem verrückten Hühnertanz. Wir müssen immer auf den listigen Fuchs Swiper achtgeben. »Swiper, nicht stehlen«, rufen wir dreimal, dann wird er ganz sauer und sagt: »Ach, Mensch!« und läuft weg. Einmal hat

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