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Raum

Raum

Titel: Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Donoghue
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hör mal, ich konnte dich doch nicht zeichnen, während du wach warst, sonst wäre es ja keine Überraschung gewesen, oder?« Ma wartet. »Ich dachte, du würdest dich über eine Überraschung freuen.«
    »Ich will die Überraschung und trotzdem wissen, was los ist.«
    Sie lacht ein bisschen.
    Ich springe auf Stuhlschaukel, damit ich aus Kästchen auf Regal eine Stecknadel holen kann. Minus eine heißt, dass jetzt von den fünf nur noch null übrig sind. Früher waren es mal sechs, aber eine ist verschwunden. An einer über Stuhlschaukel hängt: Große Meisterwerke westlicher Kunst Nr. 3: Jungfrau und Kind mit hl. Anna und hl. Johannes . An einer anderen neben Wanne: Große Meisterwerke westlicher Kunst Nr. 8: Impression – Sonnenaufgang, an noch einer hängt der blaue Tintenfisch und an noch einer das Bild mit dem verrückten Pferd, es heißt: Große Meisterwerke westlicher Kunst Nr. 11: Guernica . Die Meisterwerke waren bei den Haferflocken dabei, aber der Tintenfisch ist von mir, mein bestes Bild im März, aber er wird schon ein bisschen kringelig wegen dem Dampf über Wanne. Ich pinne Mas Überraschungsbild genau auf die mittlere Korkfliese über Bett.
    Sie schüttelt den Kopf. »Nicht da.«
    Sie will nicht, dass Old Nick es sieht. »Vielleicht an der Rückwand von Schrank?«, frage ich.
    »Gute Idee.«
    Schrank ist aus Holz, deshalb muss ich die Nadel extra fest reindrücken. Dann mache ich die doofen Türen von ihr zu, die immer quietschen, trotzdem wir schon Maisöl auf die Scharniere getan haben. Ich linse durch die Ritze, aber es ist zu dunkel. Also mache ich ein bisschen auf und gucke rein. Die Geheimzeichnung ist weiß mit nur ein paar grauen Linien. Mas blaues Kleid hängt über einem Teil von meinem schlafenden Auge, ich meine das Auge auf dem Bild, das Kleid in Schrank ist nämlich in echt.
    Ich kann Ma neben mir riechen, weil ich die beste Nase in der ganzen Familie habe.
    »Oh, ich habe ganz vergesst, welche zu trinken, als ich aufgewacht bin.«
    »Das macht nichts. Vielleicht sollten wir sowieso öfter mal aussetzen, wo du jetzt schon fünf bist.«
    »Kommt nicht in die Tüte.«
    Also legt sie sich auf das Weiße von Zudeck und ich auch, und dann kriege ich richtig viel.
     
     
     
    Ich zähle einhundert Cornflakes und mache, ohne was zu verschütten, einen Wasserfall Milch drüber, die ist fast so weiß wie die Schüsseln. Wir bedanken uns beim Jesuskind, und ich suche mir Weichlöffel aus, der hat lauter weiße Blasen am Griff, seit er mal aus Versehen beim Nudelmachen an der Pfanne gelehnt hat. Ma mag Weichlöffel nicht, aber ich habe ihn am liebsten, weil er etwas Besonderes ist.
    Ich streichle die Kratzer auf Tisch, damit sie wieder heil werden, Tisch ist ganz weiß, nur die Kratzer sind grau, das kommt vom Essen schnippeln. Beim Essen spielen wir Summen, weil man dafür keinen Mund braucht. Ich rate Macarena und She’ll be Coming ’round the Mountain und Swing Low, Sweet Chariot , aber das ist dann in Wahrheit Stormy Weather . Zwei Punkte, also kriege ich zwei Küsse.
    Ich summe Row, Row, Row Your Boat und das rät Ma sofort. Dann summe ich Tubthumping , sie verzieht das Gesicht und sagt: »Hach, das kenne ich doch, da geht es drum, dass man wieder aufsteht, wenn einen was umgehauen hat, wie heißt das noch mal?« Am Ende kommt sie drauf. Als Drittes mache ich Can’t Get You Out of My Head. Ma hat keinen blassen Schimmer. »Da hast du dir aber was Schwieriges ausgesucht … hast du das im Fernsehen gehört?«
    »Nein, bei dir.« Ich platze mit dem Refrain heraus, und Ma sagt, sie ist ein Dummie.
    »Schafskopf.« Ich gebe ihr zwei Küsse.
    Zum Spülen schiebe ich meinen Stuhl zu Becken. Mit den Schüsseln muss ich vorsichtig sein, aber mit den Löffeln kann ich bing bang bong  machen. Ich strecke Spiegel die Zunge heraus. Ma steht hinter mir, ich kann mein Gesicht über ihrem liegen sehen wie die Maske, die wir mal gebastelt haben, als Halloween passiert ist. »Ich wünschte, die Zeichnung wäre besser«, sagt sie, »aber wenigstens kann man darauf erkennen, wie du aussiehst.«
    »Wie sehe ich denn aus?«
    Sie tippt gegen Spiegel, da, wo meine Stirn ist, von ihrem Finger bleibt ein Kreis da. »Als wärst du mir aus dem Gesicht geschnitten.«
    »Wieso bin ich aus deinem Gesicht geschneidet?« Der Kreis geht langsam weg.
    »Das soll heißen, du siehst genauso aus wie ich. Wahrscheinlich, weil du aus mir gemacht bist, beinahe so, als hätte man mir was rausgeschnitten. Die gleichen

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