Raum
besser pappen. Heute will ich als Erstes Schnelllauf machen, also heben wir Tisch auf Bett und Stuhlschaukel und Teppich oben drüber. Schnelllauf heißt, es geht von Schrank bis zu Lampe um Bett rum, auf Boden ist ein schwarzes C gemalt. »He, guck mal, ich kann hin und zurück mit nur sechzehn Schritten.«
»Toll. Als du vier warst, waren es doch noch achtzehn Schritte, oder?«, sagt Ma. »Was glaubst du, wie oft du heute hin und her laufen kannst?«
»Fünfmal.«
»Wie wäre es mit fünf mal fünf? Das wäre deine Lieblingszahl im Quadrat.«
Wir zählen das mit unseren Fingern. Ich kriege 26 raus, aber Ma sagt 25, also mache ich es noch mal und kriege auch 25 raus. Sie stoppt mich auf Uhr. »Zwölf«, ruft sie aus. »Siebzehn. Prima machst du das.«
Ich atme, huh huh huh .
»Schneller.«
Ich laufe extra schnell, so schnell, wie Supermann fliegt.
Als Ma mit Schnelllauf dran ist, muss ich auf dem Schreibpapier die Zahl am Start aufschreiben und dann die, wenn sie fertig ist. Dann teilen wir die auseinander und gucken, wie schnell sie war. Heute ist ihre Zahl neun Sekunden größer als meine, das heißt, ich habe gewinnt, deshalb springe ich immer wieder hoch, strecke die Zunge heraus und furze mit dem Mund. »Komm, wir machen mal ein Rennen gleichzeitig.«
»Das wäre bestimmt lustig«, sagt sie. »Aber du weißt ja, das haben wir schon mal probiert, und dabei habe ich mir an der Kommode die Schulter gestoßen.«
Manchmal vergesse ich Sachen, dann sagt Ma sie mir, und danach weiß ich sie wieder.
Wir nehmen alle Möbel von Bett runter und legen Teppich wieder so hin, dass sie Laufbahn versteckt, damit Old Nick das schmutzige C nicht sieht.
Jetzt sucht Ma sich Trampolinspringen aus, aber ich bin der Einzige, der auf Bett hüpft, weil Ma ihn vielleicht kaputt machen würde. Sie spricht den Kommentar: »Eine gewagte Drehung mitten in der Luft vom jungen U.S.-Champion …«
Als Nächstes suche ich mir Simon Says aus und danach sagt Ma, wir sollen die Socken wieder anziehen und Toter Mann spielen. Da liegt man ganz labberig da wie der Seestern Patrick, mit labberigen Fußnägeln, labberigem Bauchnabel, labberiger Zunge und sogar labberigem Gehirn. Ma fängt es an zu jucken, und sie bewegt sich. Ich gewinne schon wieder.
Es ist 12:13, also kann jetzt das Mittagessen passieren. Mein Lieblingsteil vom Beten ist das täglich Brot. Beim Spielen habe ich zu sagen, aber beim Essen Ma, sie erlaubt zum Beispiel nicht, dass wir zum Frühstück, zum Mittagessen und zum Abendessen immer Cornflakes essen, davon würden wir vielleicht krank, und außerdem wären sie dann zu schnell alle. Als ich null und eins war, hat Ma mein Essen immer für mich klein geschnipselt, aber dann sind mir meine ganzen zwanzig Zähne gewachsen, und jetzt kann ich alles zerbeißen. Heute gibt es zum Mittagessen Thunfisch und Cracker und den Deckel von der Dose aufzurollen ist meine Aufgabe, weil Mas Handgelenk das nicht kann.
Ich bin ein bisschen wibbelig, deshalb sagt Ma, wir wollen noch Orchester spielen, dabei laufen wir rum und gucken, was für Krach wir mit allen möglichen Sachen machen können. Ich trommle auf Tisch, und Ma macht klopf klopf gegen die Beine von Bett und dann flupp flupp auf den Kissen. Ich mache mit Messer und Gabel ding ding gegen Türe, und unsere Zehen machen bimm gegen Herd, aber mein Lieblingskrach ist es, wenn ich auf das Pedal von Müll trete, weil dann mit einem Dong der Deckel hochgeht. Mein bestes Instrument ist Zeng, so heißt die Cornflakes-Schachtel, die ich mit lauter bunten Beinen und Schuhen und Mänteln und Köpfen aus dem alten Katalog vollgeklebt habe und dann drei Gummibänder drumrum gespannt. Jetzt bringt uns Old Nick uns keine Kataloge mehr mit, in denen wir unsere eigenen Anziehsachen aussuchen können. Ma sagt, er wird immer gemeiner.
Ich klettere auf Stuhlschaukel und hole von Regal die Bücher, damit baue ich auf Teppich einen Wolkenkratzer, zehn Stockwerke.
Früher hatten wir neun Bücher, aber nur vier mit Bildern drin:
Mein großes Buch der Kinderlieder
Der Bagger Dylan
Das Häschen, das weglief
Mein Aufklappbuch Flughafen
Und dann gibt es noch fünf, die nur vorne drauf ein Bild haben:
Die Hütte
Bis(s) zum Morgengrauen
Tagebuch eines Engels
Bittersüße Liebe
Sakrileg
Die Bücher ohne Bilder liest Ma so gut wie nie, außer sie ist verzweifelt. Als ich vier war, habe ich gefragt, ob ich als Sonntagsgutti noch ein Buch mit Bildern haben dürfte, so kam dann
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