Raumfahrergarn
der Luft. Aus den Baumkronen konnten sie das Gezwitscher von Vögeln hören, die das schöne Wetter feierten. Lunzie und Coromell duckten sich unter den schweren Ästen hindurch und stiegen das Gefälle zu einem Felsüberhang hoch. Zu irgendeinem Zeitpunkt in der geologischen Geschichte des Planeten waren hier Gesteinsschichten aufeinander getroffen und hatten eine von ihnen zur Oberfläche emporgeschoben, so daß jetzt eine Felstafel über den Fluß hinausragte.
»Hier kann man gut sitzen, nachdenken und die Vögel füttern, falls man zufällig ein paar Brotkrumen dabei hat«, sagte Lunzie und ließ sich halb auf die große, sonnengewärmte Felstafel zurücksinken, um ins Wasser zu schauen, wo kleine Schatten einander durch die Strömung jagten. »Oder die Fischartigen.«
Coromell klopfte auf seine Taschen. »Tut mir leid. Keine Brotkrumen dabei. Vielleicht das nächste Mal.«
»Auch gut. Sonst werden wir noch von Bedürftigen bestürmt.«
Er lachte, setzte sich neben sie und sah zu, wie das getüpfelte Wasser über die Felsen tanzte. »Das habe ich gebraucht. Es war in letzter Zeit sehr hektisch, und ich kann so wenig Zeit in einer Planetenatmosphäre verbringen. Seit seiner Ankunft hat mein Vater mit niemandem außer Ihnen gesprochen. Er hat erst spät geheiratet und will nicht, daß ich denselben Fehler mache. Er ist einsam«, fügte Coromell nachdenklich hinzu. »Er hat sich Mühe gegeben, uns zu verkuppeln.«
»Ich hätte nichts dagegen«, sagte Lunzie, drehte den Kopf und lächelte ihn an. Coromell war ein attraktiver Mann. Er mußte über fünfundvierzig sein, hatte aber eine jugendliche Haut und legte außerhalb seiner Dienststelle mehr Enthusiasmus an den Tag, als Lunzie von sorgengeplagten oder karrieregeilen Admiralen gewohnt war.
»Also, ich auch nicht. Ich würde Sie nicht anlügen«, erwiderte er vorsichtig. »Aber ich muß Sie warnen. Ich kann keine enge Bindung eingehen. Ich bin ein Karrieremensch. Die Flotte ist mein Leben, und ich liebe sie. Alles andere würde an zweiter Stelle rangieren.«
Lunzie zuckte die Achseln, zupfte Moosstückchen vom Fels und ließ sie ins Wasser fallen, um die Wellen zu beobachten. »Und ich bin unstet, wahrscheinlich von Natur aus und durch meine Erfahrungen. Wenn ich keine Tochter gehabt hätte, dann hätte ich wahrscheinlich nie versucht, mir den 0 2 -Obolus zu verdienen, um mich einer Kolonie anzuschließen. Ich reise gern an neue Orte, lerne neue Dinge und neue Menschen kennen. Es wäre sicher das Beste für mich, keine lebenslangen Bindungen einzugehen. Es wäre sicher nicht gut für Ihren Ruf, wenn Sie sich mit einer zeitversetzten Ärztin treffen würden, die als Jonas verdächtigt wird.«
Coromell gab einen angewiderten Laut von sich. »Das schert mich einen Dreck. Vater hat mir erzählt, wie auf der Ban Sidhe hinter Ihrem Rücken getuschelt wurde. Man sollte diese Idioten dafür anzeigen, daß sie Ihnen mit ihrem dummen, abergläubischen Geschwätz die Reise schwer gemacht haben.«
Lunzie legte ihm eine Hand auf den Arm. »Nein, lassen Sie das. Wenn sie gemeinsame Ängste und Erfahrungen als Krücke brauchen, um eine Krisensituation zu bewältigen, dann sollten sie das tun. Sie werden darüber hinauswachsen.« Sie lächelte beruhigend, und er ließ sich zurückplumpsen und beschirmte mit einer Hand die Augen.
»Wie Sie wünschen. Aber wir können trotzdem Freude aneinander haben, solange wir zusammen sind, oder?«
»Aber natürlich.«
»Da bin ich froh. Ich kann Sie wohl nicht dazu überreden, für uns zu arbeiten?« fragte Coromell in halb scherzhaftem Ton. »Es würde Ihre Reputation erheblich verbessern, wenn Sie für den Nachrichtendienst der Flotte arbeiten würden. Sie kämen viel herum, würden neue Leute kennenlernen und neue Dinge sehen, während Sie Informationen für uns sammeln.«
»Was? Ist das eine Bedingung, damit ich Sie wiedersehen darf?« fragte Lunzie in gespielter Empörung. »Muß ich in die Flotte eintreten?« Sie hob eine Augenbraue.
»Nein. Aber wenn das die einzige Möglichkeit ist, um Sie zu einer Zusage zu überreden, werde ich vielleicht die Vorschriften ändern lassen«, lachte er spöttisch. »Bleiben Sie doch noch ein wenig auf Tau Ceti. Ich bin hier stationiert und muß die Sache vom Schreibtisch aus erledigen. Ich hoffe, ich kann Sie überreden, es sich noch einmal zu überlegen. Sie wären eine echte Bereicherung für die Flotte. Bitte bleiben Sie noch etwas.«
Lunzie zögerte und überlegte. »Ich würde mich
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