Raumfahrergarn
lausche er dem Echo. »Hm, klingt ziemlich hohl. Gehen wir was essen.«
Die Vorlesungen war im allgemeinen so langweilig, wie Lunzie sie in Erinnerung hatte. Nur zwei Seminare hielten ihr Interesse wach. Ihr Praktikum in Diagnostik war interessant, so wie auch der vorgeschriebene Kurs in mentaler Disziplin.
Die Diagnostik hatte enorme Fortschritte gemacht, seit sie Medizin praktiziert hatte. Die computerisierten Tests, denen sich die Patienten unterziehen mußten, waren weniger unangenehm und zugleich umfassender, als sie je für möglich gehalten hatte. Ihre Mutter, von der Lunzie ihre ›heilenden Hände‹ geerbt hatte, war immer der Ansicht gewesen, daß ein guter Arzt nichts als gründliche Kenntnisse in der Diagnostik und ein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen für den Patienten brauchte. Ihre Mutter wäre so erfreut wie sie darüber gewesen, daß Fiona der Familientradition gefolgt war und eine medizinische Karriere eingeschlagen hatte.
Die diagnostischen Instrumente waren nicht mehr so sperrig wie noch zu ihrer Zeit. Die meisten Geräte konnte man in einer Umhängetasche unterbringen, was in Notfällen Zeit und Platz sparte. Lunzies Favorit war der ›Kolibri‹, ein kleiner medizinischer Scanner, der keine manuelle Bedienung erforderte. Mit Hilfe von Antigravitationstechniken schwebte er einfach über den Patienten umher und zeigte seine Werte an. Das Gerät war besonders bei Nullgravitation sehr nützlich. Es war sehr beliebt bei Ärzten, die sich auf Patienten spezialisiert hatten, die sehr viel größer waren als sie selbst, und bei nichtmenschlichen Ärzten, die intime manuelle Untersuchungen als unhöfliche Annäherung empfanden. Lunzie mochte das Gerät, weil es ihre Hände für die Betreuung des Patienten frei hielt. Sie setzte den ›Kolibri‹ auf die Liste der Instrumente, die sie kaufen würde, wenn sie wieder praktisch tätig wurde. Er war teuer, aber nicht unerschwinglich für sie.
Wenn der moderne Arzt erst einmal Daten über den Zustand seines Patienten gesammelt hatte, standen ihm so mächtige Werkzeuge wie Computeranalysen zur Ermittlung möglicher Behandlungsmethoden zur Verfügung. Das Programm war ausgefeilt genug, um einem Arzt eine ganze Palette von Therapien anzubieten. In extremen, aber nicht unmittelbar lebens-bedrohlichen Situationen konnten rekombinantes Gen-Splicing, chemische Behandlungen und invasive oder nicht-invasive Chirurgie vorgeschlagen werden. Die Entscheidung, was im vorliegenden Fall am besten war, lag beim Arzt. Bestimmte Formen progressiver Therapie, die inzwischen gebräuchlich waren, machten viele Behandlungen überflüssig, die man früher für unabdingbar gehalten hatte, um das Leben eines Patienten zu retten.
Lunzie bewunderte die neuen Werkzeuge, aber ihr gefiel nicht, wie sich die Einstellung zu medizinischen Behandlungen in den letzten sechs Jahrzehnten verändert hatte. Zuviel von der realen Arbeit eines Arztes war dem Praktiker aus den Händen genommen und Maschinen überantwortet worden. Sie wandte sich offen gegen die Meinung ihrer Professoren, daß die neue Methode für die Patienten verträglicher sei, weil die Gefahr einer Infektion oder eines ärztlichen Kunstfehlers geringer war.
»Viele haben keinen Lebenswillen mehr, weil es ihnen an persönlicher Fürsorge mangelt«, bemerkte Lunzie zu einem Professor für Kardiovaskuläre Mechanik, als sie sich mit ihm privat in seinem Büro unterhielt. »Die Methode, um geschädigtes Herzgewebe zu reparieren, ist technisch perfekt, ja, aber was ist mit den Gefühlen eines Patienten? Die Stimmung und die seelische Verfassung Ihres Patienten sind ebenso wichtig wie die wissenschaftliche Behandlung seines Leidens.«
»Sie sind hinter der Zeit zurück, Doktor Mespil. Es ist die bestmögliche Behandlung für Herzpatienten, die unter schwachen Arterienwänden leiden, die sich krankhaft erweitern könnten. Der Robotechniker kann mikroskopische Maschinen durch den Blutkreislauf des Patienten schicken, um das Nachwachsen geschädigten Gewebes zu stimulieren. Er braucht sich keine Gedanken darum zu machen, was in dem Patienten vorgeht.«
Lunzie verschränkte die Arme und richtete einen tadelnden Blick auf ihn. »Es ist Ihnen also gleichgültig, was mit Ihrem Patienten geschieht? Natürlich gibt es Patienten, die ausschließlich mit unsensiblen Ärzten zu tun gehabt haben. Ich nehme an, in Ihrem Fall würde es keinen Unterschied machen.«
»Das ist ungerecht, Doktor. Ich will nur das Beste für meine
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