Raumkapitän Sun Tarin
anderen.«
»Dann können wir ja von glücklicher Führung durch den Herrn sprechen«, sagte ich.
»Nur du kannst davon sprechen. Deine Retter sind alle tot. Das Beiboot kollidierte mit Trümmerteilen. Ein Kühlgastank wurde beschädigt, und deine Kameraden sind erstickt.«
»Und warum ich nicht?«
»Das Beiboot war stark überfüllt. Um Platz zu sparen, hat man dich – einen bewusstlosen Verletzten – in einen der Raumanzüge gesteckt, die in dem Seitenschrank in den Standard-Shuttles unserer Flotte hängen. Die künstliche Schwerkraft wird abgeschaltet und man hat ein ideales Krankenlager.«
Ich antwortete nur mit einem Schaben der Schnabelhälften.
Größere Blessuren trug ich letztlich nicht davon. Zumindest nichts, was meinen künftigen Dienst in der Flotte dauerhaft gefährdet oder ausgeschlossen hätte.
Aber die Schlacht um New Hope ging ohne mich zu Ende. Die Strategie unserer Führung änderte sich daraufhin. Es gab Pläne, mit den anderen Feinden der Menschheit in Kontakt zu treten. Wie die Kundschafterschiffe des Imperiums herausgefunden hatten, herrschte seit Langem ein Kleinkrieg zwischen den menschenähnlichen J'ebeem und den sauroiden Starr. Beide Seiten versuchten, das Sternenreich der Menschheit in diesen Konflikt hineinzuziehen. Immer wieder wurden Anstrengungen in dieser Hinsicht unternommen, und der Mar-Tanjaj schien den greisen Raisa zu der Erkenntnis gebracht zu haben, dass das Imperium daraus vielleicht einen Nutzen ziehen konnte. Unsere ersten Bemühungen, einen Brückenkopf am Rand des Menschen-Reichs zu errichten, schlugen leider fehl. Über die genaueren Umstände weiß ich nichts – aber letztlich war es das Fehlen eines Brückenkopfes, das bisher wohl dafür gesorgt hatte, dass wir militärisch unsere ehrgeizigen Ziele im Kampf mit der Menschheit nicht erreicht hatten.
Als ich zurück in Matlanor war, versuchte mein Onkel, mich erneut dazu zu überreden, den Seraif beizutreten. Aber ich hatte zu viel Verwirrendes erlebt, um die Initiative zu ergreifen und mich zu bewerben.
Davon abgesehen, sah ich mich nunmehr als schwächlich an. Ich war kein strahlender Kriegsheld gewesen, der die Schiffe der Glaubens feinde im Alleingang besiegte, sondern jemand, der mit knapper Not dem Tode entkommen war. Ich hätte es damals um keinen Preis zugeben wollen, aber ich war wohl doch tiefer verunsichert, als ich mir das selbst habe eingestehen wollen.
Es mag den einen oder anderen Downloader schockieren, dass ich hier über manche Begleitaspekte des permanenten Krieges berichte, die ansonsten gerne im Verborgenen gehalten werden. Menschliche Frauen haben die Angewohnheit, den Betrachter über ihr tatsächliches Alter mithilfe von Kosmetika zu täuschen, weil sie sich so ein höheres Maß an sexueller Anziehungskraft erhoffen. Verzichtet ein Menschenweibchen auf diese Hilfsmittel, nennt man sie ungeschminkt – was sprichwörtlich als Synonym dafür gilt, die Wahrheit zu präsentieren.
Es ist ein sprachlich sehr schönes Bild, wie ich finde.
Und genauso will ich ungeschminkt über das berichten, was mir widerfuhr und was ich darüber denke. Die Tatsache, dass ich als ruhmreicher Tanjaj anerkannt bin, hilft mir, den sicherlich auftretenden Anfeindungen zu begegnen. Genauso wie die Tatsache, dass ich ursprünglich kein erklärter kriegsmüder Anhänger des Predigers war!
Wiederholt habe ich jedem, der es hören, und auch manchem, der es nicht hören wollte, gesagt, dass ich die Wiederaufnahme des permanenten Krieges für die Verbreitung des Glaubens und der Göttlichen Ordnung als unerlässlich erachte.
Und doch sollten alle darüber die Wahrheit wissen.
Auch wenn sie schmerzt.
Auch wenn sie mit dem schwer vereinbar ist, was uns erzählt und überliefert wurde.
Auch wenn sie offenbart, dass die siebzehn Heiligen vielleicht Helden gewesen sein mögen, aber die Helden von heute nicht unbedingt Heilige sind.
Einschub: Bereits im Vorfeld versuchten sowohl Priesterschaft als auch die Organisation der Tugendwächter und der amtierende Mar-Tanjaj, die Veröffentlichung zu verhindern. Dem Widerspruch des Predigers Satren-Nor und der Feindschaft, die all jene erwähnten Gruppen untereinander verbindet, ist es zu verdanken, dass man diese Aufzeichnungen beinahe im gesamten Heiligen Imperium downloaden kann.
Warten wir ab, wie lange das der Fall ist.
In Madanor wurde ich Zeuge einer Prozession, die sich durch die Straße dahinschleppte. Der greise Raisa wurde auf einer
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