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Raumkapitän Sun Tarin

Raumkapitän Sun Tarin

Titel: Raumkapitän Sun Tarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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endender Brillanz gewesen waren. Und so erinnerte man sich in neuem Geist an das, was er gesagt hatte. Aber diesmal gab es keine riesenhaften Ungeheuer, denen man sich zum Fraß vorwerfen konnte.
    Diesmal gab es nur das Volk der Laufenden, das durch seine eigene Zuvielheit in gewisser Weise gegen sich selbst kämpfte.
    ZWEI: Was geschah? Wie wurde die Zuvielheit unserer Vorfahren abgewendet?
    EINS: Sie sahen keinen anderen Weg, als das, was die gigantischen Ungeheuer nicht mehr tun konnten, selbst zu vollbringen. Einer von ihnen wies den Verzweifelten den Weg. Man nannte ihn den Inspirierten, denn er war inspiriert von dem, was der Furchtlose einst gesagt hatte. Im Traum hörte er die tiefen Schwingungen des Furchtlosen und versuchte, sie in die neue Zeit zu übertragen. Aber andere nannten ihn auch den Inspirierer, denn genauso richtig war, dass er andere inspirierte, ihm zu folgen und zu tun, was nötig war.
    ALLE: Was die Ungeheuer nicht zu tun vermochten, musste und muss selbst getan werden.
    EINS: So ist es.
    ALLE: Immer wieder.
    EINS: Sie standen da und hielten die Luft an, bis sie starben, und dienten so dem Volk, indem sie den Zustand der Zuvielheit beendeten. Ihre Knochen findet man noch heute – an vielen Stellen des Landes. Sie wurden zu Stein und gemahnen uns daran, dass es wieder notwendig sein könnte, so zu handeln.
    ALLE: Was die Ungeheuer nicht zu tun vermögen, muss selbst getan werden!
    EINS: So war und ist es.
    ALLE: Aber so braucht es nicht mehr zu sein!
    EINS: Weil die Fremden kamen, die von den Sternen herabschwebten und unser Volk von der Notwendigkeit erlösten, uns selbst umzubringen.
    ALLE: Danken wir den Sternenabkömmlingen dafür, dass sie Geschmack an unserem Fleisch gefunden haben!
    EINS: Ja, danken wir ihnen dafür und freuen uns darüber, dass keiner von uns mehr die Entscheidung zu treffen braucht, ob er sich opfern möchte.
     
     
    Ein paar abschließende Bemerkungen seien mir noch gestattet. Erstens möchte ich festhalten, dass die Darstellung der Geschichte der »Laufenden«, wie sich die Riesenvögel selbst nennen, natürlich gattungsgeschichtlich am ehesten mit dem zu vergleichen ist, was wir bei menschlichen Überlieferungen einen Mythos nennen. Aber die bisherigen archäologischen Forschungen auf Second Earth widersprechen der groben Geschichtseinteilung der Riesenvögel nicht. Versteinerte Fossilien und Abdrücke von Wesen, bei denen es sich möglicherweise um die gigantischen Ungeheuer handelt, wurden nachgewiesen. Diese Wesen besaßen tatsächlich kein Skelett, und so gibt es auch nur noch sehr wenige Spuren von ihnen – und diese wenigen sind zum Teil in einem katastrophalen Zustand. Zweitens belegen die Knochenfriedhöfe von Riesenvögeln zumindest ein regelmäßiges Massensterben. Ob die Todesursache wirklich das mutwillige Anhalten der Luft war, wird wohl noch lange ein Geheimnis bleiben. Aber da eine andere Todesursache nicht feststellbar ist, spricht prinzipiell nichts gegen die Darstellungen in den Überlieferungen der »Laufenden«.
    Ich weiß, dass die meisten Bewohner von Second Earth die Frage verdrängt haben, ob es richtig ist, sich von einer Gattung intelligenter Wesen zu ernähren, die man wie gewöhnliche Nutztiere behandelt. Ich bin kein Vegetarier, und ich vertrete auch keinesfalls irgendwelche extremen ethischen Standpunkte in dieser Frage. Mir ist durchaus bewusst, dass zum Leben auch das Töten gehört. Das Töten intelligenter Lebewesen zur Nahrungsgewinnung aber ist für mich – und wahrscheinlich für die große Mehrheit der Menschheit – nichts anderes als eine modifizierte Form des Kannibalismus.
    Aber nachdem ich mich anfangs sehr stark dafür eingesetzt habe, die Schlachtung der Riesenvögel zu verbieten, muss ich doch zugestehen, dass der Fall hier etwas anders liegt. Es gab in der Rechtsprechung der alten Erde immer wieder in den Medien breitgetretene Fälle, in denen Menschen ihre Erfüllung darin sahen, sich von einem anderen verspeisen zu lassen. Die rechtliche Bewertung solcher Taten schwankte im Verlauf der Zeit wieder. Der Grundtenor, dass es sich dabei um verabscheuungswürdige Perversitäten handelt, blieb stets vorhanden – aber es blieb auch immer ein Rest des Zweifels. Ein Zweifel, der sich daraus ergab, dass das Opfer vermeintlich oder tatsächlich mit der Tat einverstanden war.
    Auf Second Earth haben wir eine ganze Kultur, die nichts dagegen hat, dass Fremde kommen und einige der Ihren zum Verzehr auswählen. Eine Kultur,

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