Raven - Schattenreiter (6 Romane)
der Kälte wurde intensiver, überschritt die Grenze zum Schmerz und steigerte sich zur Qual.
Dünne, flimmernde Linien wuchsen aus dem roten Teufelsauge, verwoben sich zu einem asymmetrischen Spinnennetz und vergingen wieder. Er spürte, wie sich seine Geschwindigkeit steigerte.
Langsam kroch ein neues Gefühl in ihm empor, gesellte sich zu der Kälte und seiner Verwirrung und begann seine Gedanken zu durchdringen: Angst.
Er versuchte sich zu erinnern, wie er hierhergekommen war, was ihn auf der anderen Seite dieses diabolischen Zwischenbereiches erwartete, aber hinter seiner Stirn war nichts als Chaos.
Der rote Fleck vor ihm wuchs beständig weiter. Er glaubte, vage Umrisse in dem wabernden Rot wahrzunehmen, aber das Bild vor seinen Augen verschwamm, sowie er sich darauf konzentrierte.
Erinnere dich an deinen Namen, wisperte eine Stimme in seinen Gedanken. Zuerst deinen Namen. Wer du bist. Was du bist. Alles andere kommt von selbst ...
Ein Trick, den sie ihm während seiner Spezialausbildung bei der Navy beigebracht hatten. Die sicherste Methode, wieder klar zu denken, wenn man einen Moment weggetreten war.
Aber diesmal funktionierte er nicht. Nicht vollständig wenigstens. Er erinnerte sich an seinen Namen: Raven. Und er glaubte sich zu erinnern, dass er durch ein Tor gegangen war. Tor? Nein, kein Tor im herkömmlichen Sinne, eher eine Barriere, die Grenze zu einem fremden, nicht für Menschen bestimmten Land, die für Sekundenbruchteile gefallen war.
Er stöhnte in Gedanken auf. Die Erinnerungen kamen zäh und widerwillig zurück. Es war das Tor ins ...
... Schattenland!
Aber im selben Moment, in dem der Begriff in seinen Gedanken entstand, explodierte der rote Punkt vor ihm, blähte sich zu ungeheurer Größe und Glut auf und streckte gierige, züngelnde Flammenarme nach ihm aus. Er spürte, wie seine Geschwindigkeit abermals wuchs. Unter der wogenden Oberfläche des roten Flecks begannen sich Linien und Striche abzuzeichnen, als gerönne die Glut dort zu fester Materie. Er erkannte eine Höhle. Ein hoher, dreieckiger Raum, nach einer Seite hin offen, der Boden ein Haifischmaul voller gierig emporgereckter Felszähne und -speere.
Und er stürzte genau darauf zu!
Er tauchte in das flammende Rot ein und schrie gequält auf. Feuer schlug über seinem Körper zusammen, hüllte ihn ein und versengte jede einzelne Nervenfaser. Dann hatte er das Gefühl, durch eine gigantische unsichtbare Glasscheibe zu fallen.
Er versuchte noch, sich im Sturz zusammenzukrümmen, um den Aufprall abzufangen, aber seine Reaktion kam viel zu spät. Er krachte auf den stahlharten Felsboden. Ein Felszacken zerfetzte seine Jacke und riss einen langen, blutigen Kratzer in seine Brust. Sein Kopf dröhnte. Irgendwo in seinem linken Bein pulsierte ein heißer, brennender Schmerz, und das Bild der Höhle verschwamm immer wieder vor seinen Augen.
Raven stöhnte. Seine Stimme hallte wie Hohngelächter von den feuchten, nach innen geneigten Felswänden wider. In seinen Ohren rauschte das Blut, und als er versuchte, sich aufzusetzen, zuckte ein wütender Schmerz durch seinen Rücken und ließ ihn wieder zurücksinken.
Aber er war bei Bewusstsein.
Er hatte etwas geschafft, was vorher noch keinem lebenden Menschen gelungen war: Er hatte das Schattenreich betreten. Ein Land, das nicht für Menschen gemacht war, in dem nichts Lebendes auf Dauer Bestand haben konnte.
Aber er hatte auch nicht vor, lange hierzubleiben.
Raven versuchte noch einmal, sich aufzusetzen. Wieder schien sich eine glühende Zange in seinen Rücken zu bohren, aber er biss die Zähne zusammen und ignorierte den Schmerz, so gut es ging.
Stöhnend richtete er sich auf. Seine Augen tränten vor Schmerz, die Umrisse der Höhle schienen hinter einem blutigen Nebel zu verschwimmen. Er griff nach oben, hielt sich an einer Felszacke fest und zog sich ächzend in eine sitzende Position empor. Sein Körper quittierte jede noch so winzige Bewegung mit Schmerzen, aber darauf konnte er jetzt nicht achten.
Er lehnte sich ächzend gegen den kalten, feuchten Stein, schloss für einen Moment die Augen und begann dann, seinen Körper zu inspizieren. Er fühlte sich an, als hätte ihn jemand stundenlang mit Hämmern bearbeitet. Aber es war nichts gebrochen, und bis auf ein paar oberflächliche Kratzer und Schnitte und eine ansehnliche Sammlung blauer Flecke und Beulen war er in Ordnung.
Er zog die Beine an, biss die Zähne zusammen und versuchte aufzustehen.
Ein Geräusch ließ ihn
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