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Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Mondpalast hatte gelangen können, war etwas anderes. Kommissar Falter vermutete, dass Ma’Haraz oder jemand anderes aus den Reihen der Sturmbringer Recherchen angestellt haben könnte, wohin die verschiedenen Türen des Mondpalastes führten. Im Fall von Baltasar Quibbes war die Lage klar. Der Schlüsselladen in der Victoria Street in Edinburgh bestand schon lange Zeit, bevor Tom dort seine Ausbildung angefangen hatte. Somit musste auch er Winter ein Begriff sein. Die Rückkehr für Baltasar nach Edinburgh kam also nicht mehr infrage.
    Ob Winter von Elisabeth Joels Aufenthaltsort wusste, darüber konnte niemand etwas sagen. Schließlich fragten sie Baltasar, doch der konnte nur bestätigen, dass Roland Winter einige äußerst unheimliche Methoden und Möglichkeiten offenstünden und dass er selbst diese Frage deshalb nicht beantworten könne.
    Vielleicht, so spekulierten sie, konnte Winter das Gedicht, das ihn in das Bild gelesen hatte, benutzen, um Elisabeth Joel zu lokalisieren. Immerhin war er auch ein Schreiber. Ob dies jedoch überhaupt möglich war, wusste niemand.
    Hier auf dem Highgate Friedhof war die Welt eine andere. Lara konnte noch nicht einmal sagen, warum sie sich dessen so sicher war. Es fühlte sich an, als sei man von einem warmen in einen kalten Raum gegangen, oder von einem bläulich erleuchteten Zimmer in eines, in dem grüne Lichter brannten. Etwas schien sich zu verschieben, als sie das schwere schmiedeeiserne Gatter durchquerten. Beinahe war es, als würde man durch eine Tür nach Ravinia gehen.
    Vor ihnen lag eine Parkanlage, die sich das Prädikat verwunschen redlich verdient hatte.
    Ja, es gab auch Grabsteine hier auf dem Friedhof von Highgate. Richtige Monumente von Grabsteinen. Stelen, die kennzeichneten, wo eine Person begraben lag, die entweder der Welt oder ihren Verwandten eine Menge bedeutet hatte. Pflanzen jedoch gab es hier weitaus mehr als Gräber.
    Die Grabdenkmäler fochten einen ständigen Kampf mit dem Wald aus, der seine hölzernen Schwingen über den Friedhof ausbreitete. Obwohl noch kein Blatt die knorrigen Äste bedeckte, wirkten sie auf schauerliche Weise lebendig, ja beinahe pulsierend. Sie wanden sich um jedes Grab, drängten Inschriften zurück, zerbrachen Grabsteine, hoben Steinplatten an. Teilweise schienen die Wurzeln der Bäume sich zu eigenen Monumenten, eigenen Denkmälern zu verbinden und aufzutürmen. Nur der Efeu und das Gras waren grün wie immer und tuschelten. Die Pflanzenwelt schien hier ihren eigenen Willen zu besitzen. Lara erinnerte sich mit Unbehagen an ihre Begegnung mit der schwarzen Rebe in den botanischen Gärten von Ravinia. So furchtbar abwegig schien ihr der Gedanke einer lebendigen, flüsternden, lauernden Pflanzenwelt seitdem nicht mehr.
    Laras Augen folgten einem der verschlungenen Pfade, die ins Herz des Friedhofs hineinführten.
    Da saß ein Tier auf dem Weg. Im allerersten Moment hätte Lara es für ein Eichhörnchen gehalten. Aber schnell erkannte sie, dass dem nicht so war. Vielmehr sah es aus wie eine Mischung aus einer Ratte, einem Eichhörnchen und einem kleinen Känguru.
    Lara ging unwillkürlich einen Schritt auf das eigenartige Tier zu, um es besser erkennen zu können, als es aufsah und Lara für den Bruchteil einer Sekunde in die Augen blickte. Dann schimpfte es etwas und verschwand wuselig schnell im Efeu neben dem Weg.
    Lara schüttelte den Kopf. Nein, dass konnte nicht sein. Hatte das Tier gerade tatsächlich ein Schimpfwort gerufen? Wahrscheinlich träumte sie.
    Â»Ein Nimmerchen«, sagte Geneva hinter ihr.
    Erschrocken fuhr Lara herum und wurde der Nachtwächterin gewahr.
    Â»Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken, aber ich dachte, du kommst vielleicht mit«, erklärte sie, während sie auf die anderen deutete, die sich auf einen der flüsternden Pfade ins Friedhofsinnere begeben hatten.
    Nickend folgte Lara der Nachtwächterin, um die anderen einzuholen.
    Â»Ich dachte, Nimmerchen gibt es nur in Ravinia«, sagte sie.
    Â»Nein«, meinte Geneva bloß. »Nimmerchen gibt es überall an …«, sie suchte nach einem Wort, »Orten, die anders sind.«
    Â»Anders?«
    Â»Ja. Orte, denen etwas Besonderes innewohnt, wie dieser Friedhof. Wusstest du übrigens, dass er im neunzehnten Jahrhundert angelegt wurde? Zusammen mit sechs weiteren Friedhöfen, weil London mittlerweile

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