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Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Geneva die Luft ein.
    Baltasar wurde blass, und er ließ sich ebenfalls auf einen Stuhl sinken.
    Lara hatte ihn getroffen. Endlich einmal, nachdem er offenbar ihr halbes Leben kannte und es vor ihr geheim hielt.
    Sie stand wieder auf.
    Â»Ich werde schon jemanden finden, der mich weiter ausbildet«, tönte sie und zeigte mit dem Finger drohend auf Baltasars Brust. »Immerhin haben meine Eltern dankenswerterweise mit ihrer Arbeit dafür gesorgt, dass man mich überall nehmen wird. Mir reicht’s.«
    Der alte Schlüsselmacher wirkte auf einmal tatsächlich alt. Unheimlich alt.
    Â»Und jetzt«, fuhr Lara fort, »will ich wissen, wo ich sie finden kann.«
    Baltasar sagte nichts, sondern starrte nur traurig ins Leere.
    Â»Sofort!«, bekräftigte Lara ihre Forderung, und in ihren Augen blitzte dabei der Zorn aus viel zu vielen Waisenjahren auf. Sollte der alte Geheimniskrämer an seinen Heimlichkeiten doch ersticken. Sie brauchte ihn nicht. Sie brauchte jemanden, der sie in dieser Welt, in der sie sich gerade einzuleben versuchte, an die Hand nahm, jemand der ehrlich und aufrichtig war. Und auch wenn Baltasar Quibbes der beste Schlüsselmachermeister der letzten tausend Jahre war, es war genug. Endgültig.
    Â»Ich denke«, sagte Tom betont ruhig zu Baltasar, »das Mädchen hat ein Recht darauf, zu erfahren, was du weißt.«
    Â»Was weißt du denn schon?«, fuhr Baltasar von seinem Stuhl hoch, doch Tom gab ihm einen leichten Schubs, sodass der alte Schlüsselmachermeister wieder auf seinen Hosenboden zurückfiel.
    Â»Was?«, fragte Tom. »Ich weiß genug, glaub mir! Die Welt hat zu viel falschen Stolz, und jetzt, hier und heute, ist verdammt noch mal der falsche Zeitpunkt dafür.«
    Diesmal schaffte Baltasar es, aufzustehen. Er drängelte sich an Tom vorbei und murmelte: »Gut, ich werde sie warnen.«
    Tom jedoch griff nach seinem Arm und riss den alten Mann herum.
    Â»Gar nichts wirst du«, stellte er klar. »Du mit Laras Großmutter alleine da draußen, wo auch immer? Wie einfach wollen wir es Roland Winter denn machen?«
    Â»Lass mich!«, lamentierte Baltasar.
    Â»Nein!«
    Â»Uns läuft die Zeit davon!«
    Â»Weil du dich so anstellst. Sag mir, wo du hinwillst!«
    Baltasar funkelte seinen einstigen Lehrling an, und in seinem Blick war zu lesen, dass die beiden ihren Konflikt um die ganze Geheimniskrämerei, die Baltasar betrieb und die Tom so verabscheute, zum allerersten Mal in dieser Form ausfochten.
    Er schüttelte den Kopf.
    Â»Ich werde Lara auf keinen Fall dieser Gefahr aussetzen.«
    Â»Das ist mir egal«, mischte Lara sich ein.
    Â»Ich denke, sie hat ein Recht darauf«, beharrte Tom. »Ist es dir jemals in den Sinn gekommen, dass jemandem sein Leben weniger bedeuten könnte, als … sagen wir, zu wissen, woher er stammt, wohin er gehört, wer ihn liebt und wer nicht? Ist es dir jemals in den Sinn gekommen, dass deine junge Schülerin vielleicht ein schwarzes Loch aus Unwissenheit in ihrer Seele stopfen will?«
    Er ließ Baltasars Arm los.
    Â»Deine gespielte Selbstlosigkeit widert mich an«, sagte Tom bloß, bevor er sich umdrehte und in Richtung Tür marschierte.
    Â»Wo willst du hin?«, rief Geneva ihm hinterher.
    Â» Ich werde mich um Keiko Ito kümmern, ihr helfen, wenn ich kann.«
    Er rauschte an den alten Garderobenhaken vorbei, blieb stehen und fischte geschwind Baltasars großen Schlüsselbund aus dessen Mantel.
    Â»Hey«, rief der alte Mann empört.
    Â»Du«, meinte Tom, drehte sich um und klimperte mit den Schlüsseln in der Hand, »gehst nirgendwohin, Meister. Zur Abwechslung bleibst du diesmal in Sicherheit.«
    Die Schlüssel verschwanden in Toms Manteltasche, während Geneva und Lara schon dabei waren, hinter Tom herzueilen.
    Â»Highgate«, mehr sagte Baltasar nicht, und das auch erst im letzten Moment.
    Tom blieb stehen und blickte über die Schulter.
    Â»Elisabeth wohnt in Highgate«, wiederholte Baltasar ein zweites Mal, jedoch viel matter. Er gab sich geschlagen.
    Jetzt drehte Tom sich wieder um.
    Â»Na also.«
    Er schloss die Tür wieder und begann, an seinem Schlüsselbund einen Schlüssel zu suchen.
    Â»London, ja?«, vergewisserte er sich.
    Â»Kennst du noch ein anderes?«
    Â»Nein. Hast du einen Schlüssel direkt dorthin?«
    Baltasar verneinte.
    Â»Also Underground?«
    Ein Nicken.
    Â»Okay«,

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