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Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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langer Zeit verkauft. Henry McLane hatte Ravinia für sich selbst tatsächlich aufgegeben. Der Liebe wegen hatte er Ravinia den Rücken gekehrt, so hatte er erklärt, und war den Rest des Abends in eine stille Melancholie verfallen.
    Ravinia sei wunderschön, hatte er Lara ein anderes Mal erzählt. Es sei magisch, auf eine gewisse Art geborgen, aber auch unheimlich. Eigenschaften, die Edinburgh schließlich auch alle habe.
    So blieb Laras Eindruck von Ravinia eher klein, aber das würde sich ändern, sobald sie endlich ihren eigenen Schlüssel hatte.

    Zeit ist eine seltsame Sache.
    Wäre die Zeit eine Künstlerin, so würde sie Bilder voll Farben malen, so warm wie die des Herbstlaubs. Doch dann würde sie beginnen, störende, hässliche Flecken hineinzusprenkeln. Immer dort, wo es dem Betrachter gerade am wenigsten passt. Und manchmal würde sie auch über die schönsten Stellen literweise hässliche, kalte Farbe gießen.
    Aber es begann immer zuerst mit kleinen Klecksen.
    Zuallererst für Tom, der die unverschämten Raben nicht leiden konnte. Dennoch waren sie nun einmal die Postboten und Überbringer von Nachrichten für alle, die mit Ravinia in Zusammenhang standen. Lara hatte sich erst daran gewöhnen müssen, dass Raben tatsächlich sprechen und denken konnten. Und zwar mindestens so gewitzt und frech wie mancher Mensch. Doch sprachen die Raben nur mit denjenigen, die ihnen auch zuhören wollten.
    Â»Die Menschen sehen nicht, was sie nicht sehen wollen, und sie hören nicht, was sie nicht hören wollen«, hatte Tom zum wiederholten Male gesagt. Es schien für ihn eine Art Mantra zu sein, aber es stimmte offenbar.
    Und es war ausgerechnet der freche Rabe Dexter, der an jenem Abend zur Tür hereingeschossen kam, als Baltasar sie kurz öffnete, um vor dem Laden eine seiner schwarzen ägyptischen Zigaretten zu rauchen.
    Er schoss im Sturzflug heran, machte eine halbe Drehung und schlitterte zur Landung über die gesamte Uhrenwerkbank – wobei er diverse Zahnräder und Federn hinfortfegte –, bevor er anhalten konnte. Toms Auffassungsgabe war bemerkenswert, denn ehe die erschrockene Lara oder der verdutzte Baltasar den zerzausten Raben als solchen erkannt hatten, ließ Tom bereits ein entnervtes Schnauben vernehmen.
    Â»â€™tschuldigung«, krächzte Dexter, während er sich aufrappelte.
    Er versuchte, mit dem Schnabel sein Gefieder zurechtzuzupfen, schüttelte sich und baute sich stolz auf der Werkbank auf.
    Tom hob missbilligend eine Augenbraue.
    Â»Ich habe eine Nachricht für Mr Quibbes und Mr Truska«, erklärte der Rabe mit so viel Würde, wie es einem zerzausten Vogel nur irgend möglich war.
    Â»Ich würde die junge Miss also bitten, den Raum kurz zu verlassen.«
    Baltasar schüttelte den Kopf.
    Â»Kommt nicht infrage. Sie bleibt. Wenn es etwas aus Ravinia gibt, was uns betrifft, tja, sie gehört nun zum Betrieb. Also schieß los.«
    Â»Es betrifft sie wirklich nicht.«
    Â»Egal.«
    Â»Also gut.«
    Der Rabe tat, als müsse er sich räuspern.
    Â»Vom Kommissariat in Ravinia«, begann er.
    Tom und Baltasar tauschten einen unsicheren Blick aus, sagten aber nichts.
    Â»Es wurde vom Stadtrat verfügt, dass – betreffend der Morde der vergangenen Nacht – ein Untersuchungsausschuss gebildet wird. Man bittet Sie beide nun um Unterstützung in dieser Angelegenheit.«
    Tom hob die Hände, um den Raben in seiner Rede zu bremsen.
    Â»Moment, stop, stop stop! Wovon sprichst du, Dexter? Wer wurde ermordet?«
    Â»Zwei Nachtwächter und ein Stadtvagant. Krah.«
    Baltasar und Tom sahen sich erneut an. Diesmal wirkten sie alarmiert.
    Â»Und weshalb genau möchte man uns im Untersuchungsausschuss haben?«, fragte Baltasar.
    Â»Krah. Man beruft Sie quasi präventiv ein. Der Stadtrat hat den Leitern des Ausschusses jeglichen Handlungsspielraum gewährt. Sie beide gelten dieser Tage als die Besten Ihres Fachs, und deshalb benötigt man Sie. Krah!«
    Baltasar hatte die unangezündete Zigarette wieder in die kleine blecherne Schachtel gesteckt und ließ diese mit einem lauten Klacken zuschnappen. Der Rabe blickte erschrocken in seine Richtung, sofern ein Rabe überhaupt in der Lage ist, erschrocken dreinzublicken.
    Â»Um wen geht es?«, fragte Baltasar knapp.
    Â»Die Nachtwächter waren Ms Anita Gomez und Mr Ludovic Peters, der

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