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Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Stadtvagant hieß Bails. Kein Vor-, kein Nachname. Nur Bails. Krah. Bekannte?«
    Baltasar nickte betroffen.
    Â»Flüchtig.«
    Â»Mein Beileid. Krah.«
    Tom ergriff wieder das Wort.
    Â»Hat man dir gesagt, wo wir erwartet werden?«
    Er machte keinen Hehl daraus, dass er die Raben nicht mochte. Dexter schon gar nicht. Und er bevorzugte es offenbar, wenn sie sich kurzfassten.
    Â»Krah. Man wird sich im Laufe des morgigen Vormittags hier in der Victoria Street einfinden.«
    Das war offenbar eine Überraschung, wie sich unschwer aus den Gesichtern der beiden Schlüsselmacher ablesen ließ.
    Â»Ich würde dann gerne zurück auf die Burg. Krah. Wenn es den Herrschaften wenigstens dieses Mal nichts ausmachen würde. Immerhin war ich Ihretwegen unterwegs.«
    Tom grummelte und ging ins Hinterzimmer. Der vorlaute Rabe empfahl sich, hüpfte von der Tischplatte und segelte durch die Tür ebenfalls ins Hinterzimmer, aus dem man kurze Zeit später die Tür zuschlagen hörte. Dann war Tom wieder da.
    Â»Zwei Nachtwächter?«, überlegte Baltasar laut, als Tom wieder in der Nähe war. »Wer um Himmels willen tut denn so etwas?«
    Tom blickte düster drein, antwortete aber nicht auf die Frage.
    Â»Woran denkst du?«
    Mit einem Kopfschütteln befreite sich Tom aus seiner Gedankenversunkenheit.
    Â»Nichts Besonderes. Ist nur so ein Gefühl.«
    Er rieb sich das blasse Kinn mit den Bartstoppeln.
    Â»Ich bin dann weg«, murmelte er.
    Nur diesen kurzen Satz. Dann machte er kehrt, Richtung Hinterzimmer.
    Â»Ich muss mit einigen Leuten reden«, sagte er noch im Gehen über die Schulter. »Ich bin morgen rechtzeitig da.«
    Und damit war er verschwunden. Wohin, das wusste Lara nicht.
    Ein ungewisses Gefühl machte sich in ihr breit. Langsam, unmerklich. Sie hätte es nicht in Worte fassen können, aber irgendetwas stimmte nicht. Oder besser gesagt, nicht mehr.
    Dieses flaue Gefühl war die unbestimmte Ahnung, dass alles anders werden würde. Doch hätte Lara es in diesem Moment nicht zu beschreiben gewusst, denn Vorahnungen treffen die Menschen selten, und erst mit der Zeit und mit wachsender Erfahrung beginnen sie, sie deutlicher wahrzunehmen. Dann reden sie von Zufall oder Schicksal und meinen letztlich dasselbe.
    Sie spürte eine Hand auf ihrer Schulter.
    Â»Es ist besser, wenn du jetzt gehst«, meinte Baltasar sanft zu ihr.
    Â»Und was tut ihr?«
    Baltasar legte den Kopf schief.
    Â»Wahrscheinlich werde ich den Laden für ein paar Tage schließen müssen.«
    Er kratzte sich am Kopf.
    Â»Aber das macht nichts, der Stadtrat wird mich entschädigen. Ich fürchte, ich muss dich nach Hause schicken. Solche schaurigen Angelegenheiten sollten jungen Herzen wie dir erspart bleiben.«
    Â»Hör auf, so geschwollen zu reden, ich bin sechzehn!«
    Â»Entschuldige.«
    Er zwinkerte.
    Â»Ich wollte dich nicht bevormunden, aber du hast es ja selbst gehört. Tom und ich werden wohl bei der Aufklärung dieser merkwürdigen Ereignisse mitwirken müssen. Ob wir wollen oder nicht. Eine Bitte dieser Art schlägt man nicht ab. Das wäre unhöflich und unmoralisch.«
    Er zog an der Ladentür, die unter dem lauten Gebimmel der Blechglöckchen aufschwang.
    Â»Wir sagen dir Bescheid, wenn diese Angelegenheit bereinigt ist. Versprochen!«
    Kein Schlüsselladen in den nächsten Tagen? Schade.
    Doch vielleicht war es an der Zeit, mal wieder etwas Gewöhnliches zu tun. Möglicherweise mit Mary und Stew aus der Schule Tee zu trinken und oberflächliche Gespräche über Jungs und andere Belanglosigkeiten zu führen.
    Dabei ging es Lara gut in ihrem Leben, so wie es zurzeit war. Endlich hatte sie etwas gefunden, was ihren Neigungen entsprach. Sinnvoll, magisch und irgendwie nicht von dieser Welt. Sie mochte, was sie hier tat.
    Schweren Herzens nahm Lara ihren Mantel von der Garderobe, setzte die Mütze auf und zwirbelte die bernsteinfarbene Locke darunter hervor.
    Â»Bis dann«, murmelte sie. »Und viel Erfolg!«
    Mit diesen Worten tauchte sie in das Grau der Treppenstadt ein. Grau wie das Leben war, wenn es keine zauberhaften Momente bereithielt. Grau wie die Welt hinter einem Schleier aus Gedanken manchmal werden konnte.
    Lara nahm die Kopfhörer ihres MP 3-Players aus der Tasche und setzte sie auf.
    The Clash erklang.
    London calling to the faraway towns. Now war is declared and battle come

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