Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze
lebend rauskommen, was
ich nicht glaube, dann muss ich sofort zu Connor gehen und ihm alles berichten. Ich Idiot. Connor hat mich doch
gewarnt.
Und Kill? Er ist Eriksons Gehilfe. Unbehelligt lebt
er hier seine Jagdgelüste aus. Einfacher geht es nicht, denke ich. Was für ein
mieser Trick. Die Tauglichen werden beseitigt, bevor sie ernstzunehmende Gegner
sind.
Kill fletscht die Zähne und knurrt. Es ist ein
tiefes, dunkles Grollen, das aus seiner Brust kommt. Doch das ist es nicht, was
mir die Gänsehaut bereitet. Es sind seine Zähne. Die vier Reißzähne eines Wolfes
blitzen mich an. Wie kann das sein? Diese gefährlichen Zähne waren bei unserer
letzten Begegnung verschwunden. Nun sind sie wieder da. Das ist doch unmöglich.
Bin ich irre?
»Worauf wartest du?«, sagt er mit tiefer Stimme. »Raya,
ich gebe dir einen kleinen Vorsprung.«
Ich erinnere mich an Eriksons Worte damals im
Flur: Versuch sie zu töten! Viel zu
lange habe ich mich geweigert, die Tatsachen zu akzeptieren. Nun ist es zu spät
zum Weglaufen.
Meine Augen suchen den Wolfer, der mir am
Wasserfall begegnet ist, und in den ich mich unsterblich verliebt habe. Ich möchte
einen Blick in seine warmen, bernsteinfarbenen Augen erhaschen. Aber er dreht
den Kopf weg. Mein Herz und mein Gefühl sagen mir, dass dieser wunderschöne Wolfer
mich nicht töten wird, aber seine
Worte sagen etwas anderes. Unendlich traurig erkenne ich meinen Irrtum. Ein Wolfer
kann niemals für einen Menschen mehr als die pure Lust des Jagens empfinden. In
diesem Moment wünschte ich, mein Herz könne in tausend Splitter zerspringen.
Ein heißer Schmerz überrollt mein Innerstes und meine Beine sind schwer wie
Blei. Meinetwegen kann er mich zerfleischen, denke ich traurig. Doch dann regt
sich wieder mein kritisches, rebellisches Ich, das niemals unwidersprochen
akzeptiert. Du hast es doch gar nicht
versucht. Erkämpfe dir gefälligst seinen Respekt, wenn er in dir mehr als seine
Beute sehen soll!
Ich streife die Schuhe ab und beginne zu klettern.
»Denk dran, Füchsin, die Felsen sind rutschig«,
ruft er mir hinterher. Habe ich da einen belustigten Unterton herausgehört?
Vermutlich grinst er. Am liebsten möchte ich ihm
meinen ausgestreckten Mittelfinger zeigen, aber ich muss mich an den Steinen festhalten.
Mit jedem Stück, das ich den Felsen erklimme,
rauscht von oben mehr Wasser herab. Irgendwann dämmert mir, dass es ein
verdammt gemeines Spiel ist, was die beiden sich ausgedacht haben. Ich soll gar
nicht oben ankommen. Verzweifelt stemme ich mich gegen die Wassermassen, hänge
am Felsen wie ein Klotz an einem Mühlrad, das sich immer schneller dreht. Von
Sekunde zu Sekunde wird der Strahl kräftiger.
Meine Hände sind mittlerweile taub und klamm. Mehr
als einmal spüre ich Kills Hand an meinem Fuß. Er spielt mit mir. Keine Frage,
denn er ist viel kräftiger und schneller als ich. Trotzdem kämpfe ich weiter.
Ich muss es irgendwie zum rettenden Ausgang schaffen.
Zitternd vor Anspannung taste ich mit der Hand nach
einem Felsbrocken über mir und ziehe den Kopf ein. Ich japse nach Luft. Als ich
mit der anderen Hand nach einem Stück Felsen greifen will, da passiert es. Ich
verliere den Halt und stürze aus zehn Metern Höhe. Gellend hallt mein Schrei
durch die Halle. Ich war fast oben angelangt und nun bin ich verloren.
Mit einem lauten Klatsch durchstoße ich mit den
Füßen die Wasseroberfläche und gehe unter. Das Wasser ist kalt und der tiefe
Grund beängstigend dunkel. Als ich auftauche, bemerke ich entsetzt, wie weit
ich vom Rand des künstlichen Sees entfernt bin. Nirgends gibt es einen Ast oder
irgendetwas zum Festhalten. Ich kann nicht schwimmen und gehe augenblicklich
erneut unter. Die Hosenbeine haben sich mit Wasser vollgesogen und schlabbern
wie bösartige Schlingpflanzen um meine Knie. Verzweifelt zappele ich und
schlucke Wasser. Mein Gurgeln klingt merkwürdig gedämpft und verzerrt. Ich
verliere die Orientierung, weiß nicht mehr wo oben und unten ist und schlage
wie wild um mich.
Im nächsten Moment spüre ich Kill neben mir. Er
packt mich am Arm. Ich schlage nach ihm und gleichzeitig versuche ich, mich an
ihm festzukrallen, um nicht zu ertrinken.
Mir gelingt es, ihn unter Wasser zu ziehen. Ich
reiße die Beine hoch und stoße mich mit einem kräftigen Ruck von seinen
Schultern ab. Für einen kurzen Moment schaffe ich es, erneut die Oberfläche zu
durchbrechen. Ein nie gekanntes Glücksgefühl flutet meine Sinne. Über dem
Wasser zu sein,
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