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Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Titel: Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Twin
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die Frauen, dass der Himmel
übersät sei mit Falkgreifern. Die Biester würden krächzend ihre Kreise ziehen,
sich aber nicht tiefer trauen, solange sämtliche Scharfschützen auf ihren Wachtposten
seien. Angeblich haben einige von uns mit Fernrohren beobachtet, wie die Falkgreifer
die Reste auf den abgeernteten Feldern eingesammelt haben. Die Frauen
schimpfen, man solle die Äcker mit Gift bestreuen. Dummes Gerede, denke ich,
dann haben wir im nächsten Jahr keinen fruchtbaren Boden mehr und müssen verhungern.
    Die Aufseherin klatscht in die Hände. »Leute,
keine Müdigkeit vortäuschen, und lasst endlich das Geschwätz.«
    Wir ducken uns und konzentrieren uns auf unsere
Aufgaben. Ich muss Kirschen entkernen und die Faulen aussortieren. Heimlich nasche
ich ein paar Schattenmorellen. Es wird nicht gern gesehen, aber es steht auch
keine ernsthafte Strafe darauf. Es kann höchstens passieren, dass man zum
Bodenschrubben abkommandiert wird. Als die Arbeit endlich beendet ist, bin ich
übersäht mit Kirschflecken.
    Ich verzichte auf das Abendessen. Sport mit vollem
Magen bekommt mir nicht. Stattdessen gehe ich Duschen. Das sollte ich öfters
machen, denke ich. Das Wasser ist warm und ich habe das Bad für mich allein. Danach
schlüpfe ich in frische Sportkleidung. Als Reisle erfahren hat, dass ich jeden
Abend zusätzliches Training haben soll, brachte sie mir erstklassige
Sportkleidung: Trägerhemden, Shirts, knielange Hosen und Shorts. Die schmutzige
Wäsche gebe ich auf dem Weg zur Trainingshalle in der Wäscherei ab.
    Bis zu diesem Moment habe ich funktioniert wie ein
Uhrwerk, aber je näher ich der Halle komme, in der ich gleich Kill gegenübertreten
werde, desto heftiger schlägt mein Herz. Ich versuche mich auf meine Schritte
zu konzentrieren, zähle eins, zwei, drei … bis ich am Ende des Flures angelangt
bin. Kurz bleibe ich stehen und atme tief durch. Dann laufe ich weiter in den
nächsten Flur und gehe die Treppe hinab. Endlich stehe ich vor dem Eingang. Das
Herz klopft mir bis zum Hals.
    Ich bin so aufgeregt, dass ich glaube auf der
Stelle ohnmächtig zu werden. Mit zitternden Fingern berühre ich die Tür. Ein
Lämpchen leuchtet rot. Ich warte. Nach wenigen Sekunden blinkt es grün. Zaghaft
drücke ich gegen den Öffnungsmechanismus. Zwei Schiebetüren rauschen rechts und
links zur Seite. Ich trete ein.
    Das Licht in der Halle ist verändert. Es erinnert
mich daran, wie die Sonne im Wald flackernd und golden durch die Bäume fiel.
Verwundert blicke ich zu den Deckenlampen. Dort sind Strahler angebracht, deren
Helligkeit sich vermutlich regulieren lässt.
    Langsam trete ich näher. Ich folge einem plätschernden
Geräusch, das nicht an diesen Ort passen will. In der hinteren Ecke erblicke
ich eine steingraue Kletterwand, die mich an die Felsen am Wasserfall erinnert.
Am Fuße der künstlichen Klippe sammelt sich das Wasser in einem dunklen Becken
– einem kleinen künstlichen See.
    Plötzlich höre ich Schritte hinter mir. Bevor ich
mich umdrehe, weiß ich, dass es nicht Kill
ist. Ihn hätte ich gespürt.
    »Hallo«, sagt mein Sportlehrer.
    »Hey«, antworte ich und drehe mich um.
    Er blickt mich ernst und streng an. »Mistral,
glauben Sie nicht, das hier sei ein Freizeitpark. Ich habe Mittel und Wege, Sie
an Ihre Grenzen zu bringen.«
    Ich nicke. Gewiss hat er das. Daran hege ich keinen
Zweifel.
    »Übrigens habe ich mich über Sie bei Frau Reisle
erkundigt.«
    Vor Schreck klappt mir der Kiefer herunter.
    »Gehe ich richtig in der Annahme«, fährt er fort, »dass
Sie sich bereits entschieden haben, dem Gill-Corps beizutreten?«
    Ich schweige. Durch meinen Kopf rattern die
Gespräche, die ich mit Frau Reisle geführt habe. Es war niemals die Rede davon.
Aber mit Connor habe ich darüber kurz gesprochen.
    »Ich kann Sie nicht verstehen«, brüllt mein Lehrer
mich an. »Antworten Sie mit einem klaren Ja oder Nein. Wollen Sie die Prüfung für
die Gill-Anwärter bestehen?«
    »Ja, das will ich.«
    »Dann sind Sie hier richtig. Ich verspreche Ihnen,
wenn Sie das Training überleben«, er grinst diabolisch und macht eine Pause, »dann
dürfen Sie bei den Gills antreten.«
    »Das wäre zu schön«, stottere ich und beende den Satz
in Gedanken … um wahr zu sein.
    Er bleckt die Zähne. »Warum wollen Sie zu den
Gills?«
    Mit dieser Frage habe ich nicht gerechnet.
Überrascht öffne ich den Mund zu einer Antwort, aber ich weiß nicht, was er von
mir hören will. Also schweige ich und klappe den Kiefer wieder

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