Raylan (German Edition)
hinunter, und Raylan sagte zu Jackie: »Ich war an der Uni und habe Ihr Foto im Jahrbuch gesehen. Da habe ich mir gesagt: Was auch immer es war, Sie waren’s nicht.«
»Ich habe keine Ahnung«, sagte Jackie, »wovon Sie sprechen.«
»Falls Sie heute Abend kein Spiel haben«, sagte Raylan, »möchte ich Sie ausführen. Falls doch, komme ich zum Zuschauen.«
Sie fragte: »Soll das ein Date werden?« Überlegte einen Augenblick und sagte: »Diese beiden Mädchen, die ermordet worden sind. Ich würde gern sehen, wo das passiert ist.«
»Außer Absperrband gibt’s da jetzt nichts mehr zu sehen.« Er brach ab und sagte: »Hey, wollen Sie nicht mit mir mitkommen? Dann zeige ich Ihnen einen Tatort, wie Sie noch nie einen gesehen haben.«
Im Auto sagte Jackie: »Mein erster Mordschauplatz. Ich bin richtig aufgeregt.«
»Solange wir nicht sicher sind, sagen wir noch nicht Mord dazu«, sagte Raylan. »Ich warne Sie lieber schon mal vor, gehen Sie besser nicht zu nahe ran.«
»Liz hat mir gesagt, ich soll Ihnen sagen, ich bin eine arme Studentin, die nur versucht, über die Runden zu kommen.«
»Indem sie pokert«, sagte Raylan. Er glaubte, dass das Pokern ihr so viel über die Welt gelehrt hatte, dass der Altersunterschied zwischen ihnen keinerlei Bedeutung hatte.
»Und zwar jeden Abend mit hohem Einsatz«, sagte Jackie. »Deine Karten werden zu einer Geschichte, über die man noch Wochen später redet. Es ist eine Story über einen Typen, der versucht, dir Angst zu machen, der höher und höher geht, der’s so richtig wissen will. Als der Flop gegeben wird, sind dreißigtausend irgendwas im Pot. Du weißt einfach, er wird mitgehen. Glaubst aber, dass er blufft. Du hast zwei Paare auf der Hand, zwei Buben und zwei Zehnen. Bringt der Flop einen Buben oder eine Zehn, hast du ein Full House. Er setzt fünfzehntausend. Du durchschaust ihn und raist um zehntausend. Der arme Kerl, er spielt gegen ein Mädchen, als ihm die Wahrheit schwant: Er ist dabei, ausgenommen zu werden. Es ist von Vorteil, die einzige Frau am Tisch zu sein. Das führt nämlich dazu, dass die Typen einen auf dicke Hose machen. Harrys Problem ist, dass er nicht merkt, wenn sie bluffen. Ich glaube, sie werden einfach immer stiller, so, als hätten sie ein wirklich gutes Blatt auf der Hand.«
Raylan sagte: »Was ist der Flop?«
Jackie sagte: »Besonders oft haben Sie Hold’em noch nicht gespielt, oder?«
Entlang der Auffahrt parkten Polizeiautos, uniformierte Beamte standen im Eingangsbereich von St. Elizabeth, und die zuschauenden Bewohner fragten sich gegenseitig, was um alles in der Welt los sei. Ein Kripobeamter aus der Stadt hatte auf Raylan gewartet und führte ihn durch die Flure zu Ms. Culpeppers Zimmer, während er ihm erzählte: »Wir waren in weniger als zwölf Minuten hier. Alle, die zum Zeitpunkt des Geschehens in dem Zimmer waren, sind immer noch in dem Zimmer.«
Raylan fragte ihn: »Was für eine Waffe? Ich bilde mir ein, etwas von einer Schrotflinte gehört zu haben.«
»Eine Remington 870 mit einem Kugellauf, eine Kugel abgefeuert, die andere steckt noch in der Kammer. Die Flinte gehörte ihrem verstorbenen Ehemann Otis.«
Raylan sagte: »Sie durfte hier eine geladene Flinte in ihrem Zimmer aufbewahren?«
»Das haben wir uns auch zuallererst gefragt. Entweder sie hatte die Munition irgendwo versteckt oder jemand hat sie ihr besorgt. Das müssen wir noch rausfinden.«
»Wie ich gehört habe, ist Boyd Crowder zusammen mit Ms. Conlan gekommen.«
»Das stimmt. Er hatte Dokumente dabei, die die alte Dame unterschreiben sollte.«
»Und was ist mit Carol, Ms. Conlan?«
»Sie liegt noch so da, wie sie hingefallen ist, ich denke, sie wurde geradezu von den Füßen gerissen. Die Kugel hat sie in die Brust getroffen – die ist ziemlicher Matsch. Wir haben so gut wie nichts angefasst. Mr. Crowder gibt an, die alte Frau habe die Waffe unter der Decke abgefeuert und die Decke sei in Flammen aufgegangen.«
»Wo ist das Gewehr?«
»Wird auf Fingerabdrücke untersucht.«
»Sie wissen, dass Boyds Abdrücke schon in den Akten sind.«
»Überprüfen wir bereits.«
Raylan drehte sich zu Jackie um und nahm sie mit ins Zimmer.
Boyd stand am Fenster, gegenüber von Ms. Culpepper in ihrem Schaukelstuhl, die eine neue Decke auf den Beinen hatte und ins Leere starrte, als sei sie benommen oder bekifft.
Boyd wandte sich an Raylan: »Na endlich ... Mann, ich war’s, der ihnen gesagt hat, sie sollen die Marshals verständigen und nach Raylan
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