Readwulf
im Bad an und brachte mir heißen Blasen und Nierentee aus der Küche. »Bitte trink das, davon wird dir wieder warm«, forderte er mich auf.
»Ich hasse Nierentee. Das Zeug stinkt und schmeckt abscheulich«, entgegnete ich störrisch.
»Oh wir stottern gar nicht mehr und aufmüpfig sind wir auch wieder«, spöttelte er zurück. »Dann würde ich sagen, du bist übern Berg. Und jetzt trink!«, forderte er, ohne auch nur den kleinsten Raum für Widerspruch zuzulassen.
Gehorsam senkte ich den Kopf und nippte an dem widerlichen Gesöff.
»Das ist pures Zuckerwasser. Bäää!« Ich schüttelte mich vor Ekel.
»Ich sagte Trink«, setze er nochmals streng nach.
»Tyrann«, murmelte ich.
»Das hab ich gehört.« Er lächelte mich von oben herab an.
»Wie hast du mich eigentlich gefunden?«, fragte ich leise.
Er setze sich neben die Wanne und griff wieder nach meiner Hand.
»Du hast dich nicht gemeldet und Cloé hatte auch nichts von dir gehört. Da bin erst in die Uni gefahren, dann zur Forensik.«
Er schaute besorgter: »Ich hatte nicht erwartet dich in einer Kühlkammer wieder zu finden.«
»Das war so auch nicht geplant. Ich wollte nur kurz etwas nachsehen.«
»Nachsehen?«, fragte er und dabei zog er die rechte Augenbraue nach oben.
»Ja, Nachsehen! Irgendjemand hat mich dort eingeschlossen und an der Kälteregulierung herumgespielt. Read, ich spinne nicht, das war pure Absicht«, erklärte ich mit festem Blick.
Er drückte fest meine Hand, dann entgegnete er mit sanfter Stimme: »Ich glaube dir doch. Hat sich heute jemand auffällig benommen oder hast du eine Ahnung, wer ein Interesse an deinem Verschwinden haben könnte?«
»Nein. Und mir fällt auch niemand ein, der so etwas tun würde«, erwiderte ich schulterzuckend.
Dann schaute ich ihm erneut fest in die Augen: »Ich hatte solche Angst. Ich glaube nicht, dass ich das noch lange ausgehalten hätte. Danke.«
Meine Augen füllten sich mit Wasser und ich wollte einfach nur noch in den Arm genommen werden, um endlich loslassen zu können.
Readwulf schien dies zu ahnen, denn sofort schloss er die Arme um mich und drückte mich fest an seine starke Brust. »Nicht weinen Jules, ist doch noch mal gut gegangen«, versuchte er mich zu trösten. Er drückte mir einen Kuss auf die Stirn und streichelte beschützend meinen Rücken. Dabei summte er automatisch die Melodie eines alten Kinderliedes vor sich hin.
»Das kenne ich«, schluchzte ich in seiner Umarmung. »Das hat mir meinem Mom vor dem Einschlafen vorgesungen. Ich war noch sehr klein«, flüsterte ich und dann stimmte ich leise mit ein.
Während ich weiter summte, hörte er abrupt auf und wirkte wie versteinert.
»Was ist?«
»Nichts.«
***
Kapitel 7
Nicht Allein
»Schlaf gut Jules.« Mit einem Kuss auf den Haaransatz verabschiedete sich Readwulf in die Nacht.
Hä? Was war das denn?, dachte ich, denn das war bereits das dritte Mal, dass er sich um Intimabstand bemüht.
»Wo willst du hin? Geh nicht«, rief ich ihm nach, doch ich bekam keine Antwort mehr.
Ich drehte das Gesicht zur Wand und riss die Decke hoch bis zum Hals. Mein Bett fühlte sich wohlig warm an. Ich war hundemüde, aber schlafen konnte ich nicht. Wenn ich die Augen schloss, hallte seine Stimme an meinem Ohren: »... ist doch noch mal gut gegangen.«
Wieso ließ er mich ausgerechnet jetzt allein? Klar, es ging mir den Umständen entsprechend, wohl Dank der Schnellheilungskräfte, wieder gut. Doch ich sehnte mich nach ihm, dem Gefühl von Geborgenheit. Wieso ging es ihm nicht genauso wie mir? Vielleicht hatte ich mich auch einfach getäuscht und mir seine Gefühle für mich nur eingebildet?
Quatsch, Jules. Schlaf einfach, morgen sieht die Welt viel bunter aus. Ich legte den Arm über die Decke und drückte mich noch ein wenig mehr in die Matratze, als eine Hand nach meiner nackten Schulter griff.
Ich zuckte zusammen, wurde herum gewirbelt und lag in seinen Armen. Readwulf drückte mich fest an sich. Sein Herz schlug so laut und schnell, als wolle es sich erklären. Er jedoch schwieg.
Dieses Verhalten verwirrte mich nur noch mehr. Was hat er denn nur? Wieso benimmt er sich so seltsam? Irgendetwas verheimlicht er doch. Diese Fragen fluteten meine Gehirnwindungen. Bevor ich zu platzen drohte, presste ich ein: »Wieso?«, heraus.
Schweigen umhüllte die Nachtschwärze. Ein paar Glühwürmchen flatterten munter vor meinem Fester herum.
»Warst du schon mal in Frankreich?«, hauchte Read plötzlich in mein Ohr. Sein
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