Readwulf
Haar fuhr.
»Warte, lass mich das machen« Mit diesen Worten hatte er ein Handtuch in der Hand und stand bereits hinter mir. Sanft glitt er mit dem Frottee über meine Haare und rubbelte die Längen etwas trockener. Dann nahm er mir die Bürste aus der Hand und vollendete sein Werk. Er tat dies mit einer Sanftheit, dass ich am ganzen Körper Gänsehaut bekam und sich meine Nackenhaare von allein aufrichteten.
Oh mein Gott. Wenn pures Haarekämmen diese Wirkung auf mich hatte …. Weiter wollte ich nicht denken, da meine Knie schon wieder schwach wurden.
»Das reicht. Vielen Dank«, röchelte ich stattdessen und entzog mich seiner Berührungen, indem ich ihm die Bürste aus der Hand riss.
»Willst du einen Kaffee? Ich schreib Cloé noch schnell eine Nachricht«, fuhr ich stotternd fort. Die Hoffnung, meine Verlegenheit damit gut zu überspielen, war vergebens.
Er grinste breiter: »Nein danke, aber beeile dich bitte. Ich kann es kaum erwarten mit dir allein zu sein.«
Du Schuft!
Es schien ihm großen Spaß zu machen, mich auf diese Art und Weise aus der Fassung zu bringen.
Na warte , dachte ich und versuchte mich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Während der Autofahrt zur Uni sprachen wir nicht. Mein erster Urlaub mit einem Mann. Meinem Freund. War er das überhaupt? Wieso benahm er sich gestern Nacht nur so komisch? Diese Fragen trübten den schönen Tagesbeginn wieder.
Er unterbrach meine romantischen Grundgedanken: »Wir sind da. Hey, träumst du?«
»Oh, ich beeil mich. Versprochen!«
»Wir treffen uns in der Cafeteria, ich warte dort auf dich«, rief er mir nach. Ich nickte bestätigend, als ich die Stufen des Einganges erreichte.
Dr. Richards saß über einigen Akten versunken an seinem Schreibtisch. Ohne Vorwarnung poltere ich in sein Büro und los: »Sie haben alle dieses Mal am Hals. Das habe ich gestern …«
Er sah verwirrt auf und stoppte mich sofort: »Was haben sie gestern und wovon sprechen sie? Im Übrigen, erst einmal guten Morgen Miss Pickering.«
»Ich spreche von den drei Frauenleichen, die in der Kühlkammer liegen.«
»Miss Pickering! Sie haben dort allein keinen Zutritt«, erklärte er.
»Bitte Dr. Richards, es ist sehr wichtig«, verteidigte ich mich.
Er nickte, fügte jedoch an: »Das hoffe ich für sie!«
Ich bat ihn, mir zu folgen. Auf dem Weg erklärte ich ihm kurz und so präzise wie möglich, was ich am Vortag erlebt hatte. Viel Glauben schenkte er mir bis dato nicht, denn von einem Vorfall oder Abfall der Kühlsysteme sei ihm nichts bekannt.
Ohne noch mehr Zeit zu verlieren öffnete ich zielstrebig eine der drei Kühlkammern und zog die Leiche nach vorn. Sein Blick ruhte währenddessen die ganze Zeit auf meinem Gesicht. Ich hatte keine Ahnung was er da zu finden glaubte?
»Bitte hier«, erklärte ich selbstsicher, als ich den ersten Leichensack am Reißverschluss aufzog.
»Was soll das? Finden sie das komisch?«, zischte Dr. Richards.
»Ich habe keine Zeit und auch kein Verständnis für derarte Kindereien, Miss Pickering«, fuhr er völlig verärgert fort und hob die Hände hoch.
Ich starrte irritiert in das etwa achtzigjährige Gesicht eines toten Mannes. Ich kniff die Augen zusammen.
»Das kann nicht sein!«, entgegnete ich. Meine Stimme klang belegt. Ich öffnete hastig die anderen beiden Kühlkammern nacheinander. Auch hier waren die Leichen scheinbar vertauscht worden.
Abschätzend schaute mich Dr. Richards an: »Sind sie sich sicher, dass sie gestern Abend hier waren?« Sein Tonfall war unangebracht.
»Natürlich! Ich bin nicht senil. Glauben sie mir bitte, ich war hier und die … die Frauen auch«, erklärte ich nochmals.
»Die Leichen wurden von der Staatsanwaltschaft freigegeben und heute morgen zur Verbrennung gebracht« Nathan Stimme hallte in den kleinen Kühlraum. Ich zuckte zusammen, denn er stand urplötzlich hinter mir und lehnte lässig am Türrahmen.
Dr. Richards Stirn zog Falten: »Das habe ich nicht autorisiert!«
»Die Freigabe kam per Fax, direkt aus dem Büro des Oberstaatsanwalts«, erklärte Nathan.
Richards Schritte hallten durch den Sezierraum, genau wie seine Stimme: »Das hat ein Nachspiel!«
»Komm ich helfe dir«, fuhr Nathan fort, als er die Totensäcke behutsam verschloss und für Ordnung in der Kühlkammer sorgte. Ich stand grübelnd neben ihm. Hilfe konnte er von mir nicht erwarten, da ich nicht einmal den eigenen Mund wieder zu bekam. Er griff nach meiner Hand und zog mich hinter sich her.
Als er die
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