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Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht

Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht

Titel: Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asa Larsson
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sie nicht an sie. Sie ruhen in Frieden in ihren Gräbern. Aber jetzt spürt sie, wie die Unruhe der Toten durch den Boden aufsteigt und sie wie Nadeln in die Fußsohlen sticht.
    Was ist los mit euch, denkt sie.
    Der Mittelgang der Kirche ist mit einem roten Teppich bedeckt. Dort, wo die Empore endet und das Dach sich öffnet, liegt etwas auf dem Teppich. Sie bückt sich.
    Ein Stein, denkt sie zuerst. Ein kleiner weißer Stein.
    Sie hebt ihn mit Daumen und Zeigefinger hoch und geht zur Sakristei weiter.
    Aber die Tür zur Sakristei ist abgeschlossen, und sie macht kehrt, um wieder durch den Mittelgang zu gehen.
    Als sie den Altar erreicht hat, sieht sie den unteren Teil der Orgel. Er ist fast vollständig von einer Absperrung aus Holz verdeckt, die sich zwei Drittel der Deckenhöhe hoch quer durch das Kirchenschiff zieht. Aber den unteren Teil der Orgel sieht sie. Und sie sieht zwei Füße, die von der Empore herunterhängen.
    Ihr erster, sekundenschneller Gedanke ist, dass jemand sich in die Kirche geschlichen und dort erhängt hat. Und genau in dieser ersten Sekunde wird sie wütend. Findet es rücksichtslos. Danach denkt sie gar nichts mehr. Rennt durch den Mittelgang, vorbei an der Holzsperre, und dann sieht sie den Leichnam, der vor den Orgelpfeifen und dem samischen Sonnensymbol hängt.
    Der Leichnam hängt an einem Strick, nein, es ist kein Strick, es ist eine Kette. Eine lange Eisenkette.
    Und jetzt sieht sie die dunklen Flecken auf dem Teppich, dort, wo der Stein gelegen hat.
    Blut. Kann das Blut sein? Sie bückt sich.
    Und dann begreift sie. Der kleine Stein, den sie zwischen Daumen und Zeigefinger hält, ist kein Stein. Sondern ein Stück eines Zahns.
    Sie richtet sich mit einem Ruck auf. Ihre Finger lassen den weißen Zahn fallen, werfen ihn fast weg.
    Die Hand zieht das Telefon aus der Tasche, wählt eins, eins, zwei.
    Da meldet sich am anderen Ende ein Typ, der entsetzlich jung klingt. Während sie seine Fragen beantwortet, reißt sie an der Tür zur Empore. Die ist verschlossen.
    »Die ist verschlossen«, sagt sie zu ihm. »Ich kann nicht nach oben gehen.«
    Sie stürzt zurück in die Sakristei. Kein Schlüssel für die Empore. Kann sie die Tür aufbrechen? Womit?
    Der Junge am anderen Ende der Leitung verlangt ihre Aufmerksamkeit. Er bittet sie, draußen zu warten. Hilfe sei unterwegs, verspricht er.
    »Es ist Mildred«, ruft sie. »Die, die hier hängt, ist Mildred Nilsson. Die Pastorin hier. Gott, wie sie aussieht!«
    »Sind Sie jetzt draußen?«, fragt der Junge. »Ist irgendwer in der Nähe?«
    Der Junge am Telefon schickt sie hinaus auf die Kirchentreppe. Sie sagt ihm, dass dort kein Mensch zu sehen ist.
    »Nicht auflegen«, sagt er. »Bleiben Sie dran. Hilfe ist unterwegs. Gehen Sie nicht wieder in die Kirche.«
    »Darf ich eine rauchen?«
    Das darf sie. Sie darf auch für einen Moment das Telefon weglegen.
    Pia setzt sich auf die Kirchentreppe, neben das Telefon. Raucht und registriert, wie ruhig und gelassen sie doch ist. Aber die Zigarette will nicht richtig brennen. Am Ende sieht sie, dass sie sie am Filter angezündet hat. Nach sieben Minuten hört sie in der Ferne das Martinshorn.
    Sie haben sie fertig gemacht, denkt sie.
    Und jetzt fangen ihre Hände an zu zittern. Die Zigarette fällt zu Boden.
    Diese Teufel. Sie haben sie fertig gemacht.

Freitag, 1. September
    REBECKA MARTINSSON VERLIESS das Wassertaxi und schaute zum alten Herrenhaus Lidö hoch: die Nachmittagssonne auf der hellgelben Fassade mit den weißen Schnitzereien. Jede Menge Menschen auf der riesigen Rasenfläche. Lachmöwen, die über ihrem Kopf herumjagten. Eifrig und nervig.
    Wie bringt ihr das über euch, dachte sie.
    Sie gab dem Fahrer zu viel Trinkgeld. Als Ausgleich dafür, dass sie während der Fahrt auf seine Gesprächsversuche nur einsilbig geantwortet hatte.
    »Ach, jetzt gibt’s also ein großes Fest«, sagte er und nickte zum Hotel hoch.
    Ihre gesamte Anwaltskanzlei war dort oben angetreten. Fast zweihundert Personen wimmelten umher. Unterhielten sich in Grüppchen. Trennten sich von einer Gruppe und wanderten weiter. Händeschütteln und Wangenküssen. Eine Reihe großer Grills war aufgestellt worden. Personen in Weiß tischten auf einer mit Leinen bedeckten langen Tafel das Büfett auf. Sie liefen zwischen der Hotelküche und dem Tisch hin und her wie weiße Mäuse mit albern hohen Kochmützen.
    »Ja«, antwortete Rebecka und zog die Tasche aus Krokoleder über ihre Schulter. »Aber man hat schon Schlimmeres

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