Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
Lauer und knurrte und sammelte Kraft, dann legte er wie der Teufel los. Man konnte sich wirklich fragen, ob die Türangeln durchhalten würden. Leif Pudas musste die Tür mit beiden Händen packen, um sie schließen zu können. Vielleicht hätte er sich mehr anziehen sollen. Aber Scheiß drauf, Wasser abzuschlagen dauerte ja wohl nicht lange.
Die Windstöße brachten Schnee mit sich. Keinen weichen, feinen Pulverschnee, sondern scharfgeschliffene Diamanten. Der Schnee jagte über den Boden wie eine weiße neunschwänzige Katze und zerfetzte Leif Pudas’ Haut in einem langsamen, bösen Rhythmus.
Leif Pudas rannte um die Arche herum, um Schutz vor dem Wind zu finden, und stellte sich zum Pinkeln auf. Hier war es windgeschützt, aber auch ungeheuer kalt. Er hätte nicht in Unterhose aus dem Haus gehen dürfen. Sein Sack zog sich zu einer steinharten Kugel zusammen. Aber immerhin kam die Pisse. Er wartete fast darauf, dass sie auf dem Weg durch die Luft gefror. Sich in einen gelben Eisbogen verwandelte.
Als er fertig war, hörte er durch das Fenster eine Art Gebrüll, dann hatte er die Arche plötzlich im Rücken. Fast hätte sie ihn überfahren, und gleich darauf war sie verschwunden.
Erst nach zwei Sekunden ging ihm wirklich auf, was passiert war. Der Sturm hatte die Arche mitgerissen. Er sah das Fenster, das Viereck aus warmem Licht in der Dunkelheit, und er sah, dass es ohne ihn davonjagte.
Er machte einige rasche Schritte durch die Dunkelheit, aber als die Vertäuung riss, gewann die Arche an Tempo. Er hatte nicht die geringste Chance, sie einzuholen, auf ihren Kufen jagte sie davon.
Zuerst dachte er nur an die Arche. Er hatte sie selbst aus Spanplatten gebaut und sie isoliert und mit Aluminium verkleidet. Morgen, wenn er sie fand, würde sie nur noch Kleinholz sein. Er konnte nur hoffen, dass sie keinen Schaden anrichtete.
Dann kam ein kräftiger Windstoß. Der riss ihn fast zu Boden. Nun erst ging ihm auf, dass er in Gefahr schwebte. Und er hatte noch dazu so viel Bier getrunken, sein Blut lag sozusagen gleich unter der Haut. Wenn er nicht sehr bald ins Warme käme, würde er im Handumdrehen erfroren sein.
Er sah sich um. Zur Touristenstation in Abisko war es mindestens ein Kilometer, das würde er nie im Leben schaffen, jetzt ging es um Minuten. Wo war die nächste Arche? Schneegestöber und Sturm hinderten ihn daran, das Licht der anderen Archen zu sehen.
Überlegen, sagte er sich. Jetzt gehst du nicht einen Scheißschritt, solange du deinen Grips nicht angestrengt hast. In welche Richtung schaust du gerade?
Er strengte drei Sekunden lang seinen Grips an, merkte, dass seine Hände schon steif wurden, schob sie in seine Achselhöhlen. Ging vier Schritte geradeaus und lief voll gegen sein Schneemobil. Der Schlüssel lag in der fliehenden Arche, aber unter dem Sitz hatte er einen kleinen Werkzeugkasten. Den zog er hervor.
Dann betete er zu jemandem da oben, ihn den richtigen Weg einschlagen zu lassen, und lief los in Richtung der nächsten Arche. Es waren nur zwanzig Meter, aber er hätte bei jedem Schritt in Tränen ausbrechen mögen. Aus Angst, sie zu verfehlen. Denn das würde den Tod bedeuten.
Er hielt Ausschau nach Perssons Glasfaserarche. Der scharfe Schnee wurde ihm in die Augen geweht, er kniff die Augen zusammen, und eine Schicht aus Schneematsch legte sich darüber, die er wegwischen musste. Er konnte einfach nichts sehen, außer Dunkelheit und Schnee.
Er dachte an seine Schwester. Und er dachte an seine ehemalige Lebensgefährtin, daran, dass sie es trotz allem gut miteinander gehabt hatten.
Er stieß fast gegen Perssons Arche, ehe er sie sah. Niemand zu Haus, schwarze Fenster. Er zog den Hammer aus dem Werkzeugkasten, musste die linke Hand nehmen, die rechte war einfach unbrauchbar, sie tat schrecklich weh, da sie den kalten Stahlgriff des Werkzeugkastens gehalten hatte. Er tastete in der Dunkelheit nach dem kleinen Kunststofffenster und schlug es ein.
Die Angst machte ihn stark, er hievte seinen an die hundert Kilo schweren Körper durch das Fenster. Fluchte, als er sich den Bauch an der scharfen Metallkante aufschrammte. Aber was spielte das für eine Rolle. Aus solcher Nähe hatte der Tod ihm noch nie in den Nacken gehaucht.
In der Arche musste er ganz schnell Feuer machen. Er war zwar jetzt vor dem Wind geschützt, aber trotzdem war es hier drinnen eiskalt.
Er suchte in allerlei Kästen, bis er Streichhölzer gefunden hatte. Wie ist es möglich, etwas so Kleines festzuhalten, wenn
Weitere Kostenlose Bücher