Rebecka Martinsson 04 - Bis dein Zorn sich legt
kleines Notizbuch. Es ist in schwarzes Leder gebunden, und er schreibt mit Bleistift. Danach steckt er das Notizbuch in seine Aktentasche. Wenn sich die Informationen als zutreffend erweisen und wenn sich aus ihnen Nutzen ziehen lässt, wird Kerttu bezahlt. Als sie von dem Kurierflugzeug berichten konnte, bekam sie tausend Kronen. Das ist mehr Geld, als Papa Matti in einem ganzen Jahr sieht.
Sie hat also gutes Geld verdient. Und dieses gute Geld hat sie nicht vergeudet. Sie lebt ja gratis bei ihren Eltern, und sie hat Isak das Geld geliehen, der es seinerseits im Fuhrunternehmen investiert hat. Isak wird von der Wehrmacht gut bezahlt. Er stellt nicht viele Fragen, und die Ladung erreicht immer ihr Ziel.
Jetzt nimmt Schörner Isak und Kerttu beiseite und fragt, ob Isak bereit wäre, Kerttu zu einem kleinen Auftrag auszuleihen.
Kerttu spielt die Beleidigte und fragt, ob Herr Schörner nicht lieber sie fragen wolle, ob sie will. Sie sei wirklich nicht Isak Krekulas Eigentum.
Schörner lacht und sagt, Kerttu sei eine Abenteuerin, und er wisse genau, dass sie wolle.
Isak sagt, dass Kerttu selbst entscheiden muss, aber er will natürlich wissen, worum es geht.
Also, erzählt Schörner. Es ist so, dass drei dänische Kriegsgefangene im Hafen von Luleå von einem deutschen Boot geflohen sind.
»Und die will ich zurückhaben«, sagt Schörner, lacht und zwinkert, bietet eine Zigarette an.
Isak begreift, dass Schörner hinter diesem Lachen wütend ist. In diesem Sommer hat die Widerstandsbewegung in Dänemark sich sehr gut organisiert, und die Deutschen haben große Probleme mit Sabotage und allerlei antideutschen Aktionen.
Man muss hart auf hart setzen, das weiß Schörner, Auge um Auge. In Norwegen haben die Deutschen den Terror gegen die Zivilbevölkerung gesteigert, was absolut notwendig ist, um die Bevölkerung in Schach zu halten, nachdem die 25. Panzerdivision von Norwegen nach Frankreich verlegt worden ist.
»Irgendwer versteckt sie«, sagt Schörner. »Es gibt ja auch hier eine Widerstandsbewegung. Und ich habe von einem jungen Mann gehört, der möglicherweise weiß, wo die Dänen stecken. Und dieser Bursche hat eine kleine Schwäche. Er schwärmt für hübsche Mädchen.«
Dann erzählt er, was er sich vorstellt. Verspricht guten Lohn.
Isaks Kopf ist voller Bilder. Er stellt sich vor, wie Kerttu von diesem kleinen Ausflug mit Strohhalmen am Rücken und zerzausten Haaren zurückkommt. Aber es ist natürlich viel Geld. Und Kerttu sagt Ja, ohne auch nur in seine Richtung zu schauen. Und was kann Isak da machen? Nichts.
Isak ist fünfundachtzig Jahre alt. Er liegt in der Kammer auf dem Rücken und sagt, wie er es sich sein ganzes Leben lang gesagt hat: Ich hätte sie nicht daran hindern können.
Er ruft sie wieder. Ruft, dass er Durst habe. Dass er noch immer friere.
Sie taucht mit einem Glas Wasser in der Hand in der Türöffnung auf. Als er sie ansieht, leert sie das Glas auf einen Zug.
»Du hast mich immer angewidert«, sagt sie. »Das weißt du doch, oder?«
Und sowie sie das gesagt hat, wird an der Tür geklingelt. Draußen steht die Polizei. Und zwar diese kleine blonde Inspektorin, Anna-Maria Mella. Und zwei Kerls warten auf dem Hofplatz. Anna-Maria Mella fragt nach Tore.
Kerttu Krekula sieht, dass es ernst ist. Die Polizei sagt nichts von einem Haftbefehl. Das ist aber auch nicht nötig. Kerttu dreht durch. Sie dreht durch.
»Habt ihr den Verstand verloren?«, ruft sie. »Seid ihr verrückt geworden? Warum verfolgt ihr uns? Was wollt ihr von ihm?«
Und sie schreit, als ob sie mit einem Pfahl durchbohrt würde, während die Polizei ins Haus geht und sich umschaut.
»Mein Junge«, schreit sie. »Mein armer Junge!«
Und als die Polizei wieder gefahren ist, lässt sie sich an den Küchentisch sinken und presst die Stirn auf den Arm. Den anderen Arm schlägt sie über ihren Kopf.
Isak liegt in der Kammer und ruft. Was zum Teufel das denn war, will er wissen. Wer das war? Sie gibt keine Antwort.
Ich bin auf allen vieren auf ihrem Spülstein gelandet. Stehe wie eine Katze auf Handflächen und Fußsohlen. Das hier will ich sehen. Scheiß-Kerttu. Jetzt sind nur sie und ich in der Küche. Ich folge ihr auf den Tanzboden auf Gültzauudden bei Luleå. Ich folge ihr zum 28. August 1943.
Auf Gültzauudden bei Luleå wird getanzt. Die Swingers spielen auf. Und zwar: »Die Sonne scheint auch über einer kleinen Hütte«, »Wenn ich dich in den Armen halte«, »Ain’t Misbehavin’« und andere schöne
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