Rebecka Martinsson 05 - Denn die Gier wird euch verderben
und sehr kurze Nägel. Die Hand einer Arbeiterin.
Wie Mutter, denkt Elina und schämt sich ihrer eigenen weichen Lehrerinnenhand.
»Ich bin die Haushälterin von Bergwerksdirektor Lundbohm, Klara Andersson, aber alle nennen mich Flisan. Ich meine, wir brauchen ja nicht förmlich zu sein, wo wir doch zusammen wohnen werden. Kommen Sie.«
Sie fasst Elina unter und führt sie in den verschneiten Sonnenschein hinaus. Sie macht rasche Schritte, Elina muss fast rennen. Flisan plaudert fröhlich, als wären sie alte Bekannte.
»Na endlich, möchte ich nur mal sagen. Hundertmal hab ich dem Direktor gesagt, dass ich meine eigene Wohnung will. Bisher habe ich in der Mädchenkammer im Direktorenhaus gewohnt, aber bei all den Gästen, die er ins Haus holt! Künstler und Geschäftsleute und Grubenvögte und solche verrückten Abenteurer, die die Berge sehen wollen und sich verirren und gerettet werden müssen. Zuerst sorgt man dafür, dass sie essen und trinken, und kümmert sich um sie. Und das wird ja jederzeit verlangt, die liebe Mama unseres Direktors hat ihn als Kind offenbar ordentlich verwöhnt. Und wenn man dann endlich ins Bett fallen darf und weiß, dass man schon in ein paar Stunden wieder losschuften muss, dann kommen die angetrunkenen Nachtgäste und kratzen und winseln wie Hunde vor der Tür! Igitt! Die alten Kerle! Man hat ja den Riegel vorgeschoben, aber von Schlafen kann kaum die Rede sein. Ja, nicht der Direktor. Der hat noch nie … Aber jetzt bekomme ich jedenfalls meine eigene Wohnung.«
Sie lässt vor Elina einen Schlüssel baumeln.
»Sie sind natürlich an eine eigene Wohnung gewöhnt. Aber in Kiruna gibt es nicht genug Wohnraum. Hier muss man sich zusammentun.«
Sie drückt Elinas Arm.
»Und mit dir tu ich mich gern zusammen. Das hab ich sofort gesehen.«
Die Adresse lautet B 12, kurz für Bau Nummer 12. Das Haus ist ein sogenanntes Tintenfass. Dass die Wände grün sind, ist nur hier und da zu sehen, denn sie sind mit Eis und Schnee bedeckt. Die Blechdächer sind rot, erzählt Flisan.
»Warte nur, bis du im Sommer siehst, wie sie in der Mitternachtssonne leuchten! Hier ist es ja so schön!«
Ihre Wohnung besteht aus einer Küche und einer eine Treppe höher gelegenen Kammer. Keine Möbel. Ein schlichter Dielenboden.
»Ein Herd«, ruft Flisan aus. »Ein richtiger Herd mit Backofen!«
Sie sieht sich den Husqvarnaherd genauer an. Die Herdringe sind intakt, die Aschenluke ebenso. Und es gibt sogar zwei Platten.
Flisan dreht sich mit strahlendem Lächeln zu Elina um.
»Wir können jeden Morgen backen. Und an die Arbeiter verkaufen. Wenn du und ich hier in der Küche schlafen, können wir die Kammer vermieten. Darin ist Platz für vier. Tagsüber, ja, da stellen wir die Matratzen hochkant. Und dann haben wir da oben einen Ausziehtisch mit zwei Stühlen. Dann kannst du arbeiten oder lesen oder Schülern Nachhilfe geben. Sie kommen doch erst abends um acht oder neun nach Hause, die Schlafgänger. Ein bisschen früher, wenn sie hier zu Abend essen. Und das würde unsere Kasse noch ein wenig aufbessern. Wenn sie nur Frühstück bekommen, verdienen wir in der Woche acht Kronen an ihnen. Und dazu kommt dann noch der Brotverkauf.«
Als Elina dieses ganze Gerede über Brot und Frühstück und Abendessen hört, muss sie sich setzen, solchen Hunger hat sie. Sie lässt sich auf den Holzkasten sinken. Flisan begreift sofort, wie es um sie steht.
»Ich Kamel!«, ruft sie, nimmt Elinas Kopf zwischen beide Hände und küsst sie auf die Stirn. »Das hätte ich mir doch denken können!«
Sie befiehlt Elina, sich nicht von der Stelle zu rühren. Sie wird bald wieder da sein.
Während Flisan fort ist, spürt Elina, wie das Glück ihren Körper ausfüllt. Es ist, als ob die Spätwintersonne durch ihre Adern strömt, ein Fluss aus Gold. Sie hat eine Freundin, das weiß sie jetzt schon. Eine fröhliche, liebe Freundin, die sich nicht unterkriegen lässt. Die jetzt davongestürzt ist, weil Elina »etwas in den Magen kriegen muss!«
Elina schaut sich um. Da muss die ausklappbare Küchenbank stehen. Teppiche müssen auf den Boden, die Wände müssen gestrichen werden, weiß, das ist klar, es soll schlicht, aber geschmackvoll sein, genau wie Ellen Key es empfiehlt. Pelargonien in die Fenster, jetzt im Sommer.
Sie denkt an die vielen einsamen Abende und Sonntage in den vergangenen drei Jahren. Nie wieder.
Flisan ist wieder da. Sie hat ein Hausmädchen als Tragehilfe mitgebracht. Sie schleppen Putzsachen, Schürzen,
Weitere Kostenlose Bücher