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Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)

Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Rebellin der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce
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jedenfalls nicht.
    Sie kannte die Gefahren und den Lohn dessen, was der Herzog ihr anbot – sie konnte es sauber und ordentlich vor sich ausbreiten und die Vorteile abwägen, die jeder der beiden Wege hatte. Dennoch zögerte sie, denn wie sollte sie die sonderbaren gemischten Gefühle bewerten, die trunken durch ihren Verstand tanzten?
    »Kommen Sie, meine liebe Lady Victoria«, schaltete der Duke sich ein. »Haben Sie keine Angst. Ich beiße nicht.«
    Das entschied alles. Auch wenn sie sein Gesicht nicht sehen konnte, dieses herablassende ironische Amüsement in seiner Stimme war unmissverständlich. Er wollte sie zum Zeitvertreib verführen und würde sie insgeheim verspotten, während er einer naiven, alternden Jungfer die geheimen Mysterien der Liebe enthüllte. Ihr Trotz flammte auf. Er sollte sie haben und sie ihn, in Ordnung. Und dann würden sie schon sehen, wer mehr erstaunt war. Sie hob trotzig das Kinn und versuchte im Dunkeln seine Augen zu finden.
    »Zeigen Sie sich«, befahl sie.
    Raeburn rührte sich lange Zeit nicht, und sie fürchtete schon, er werde sein Angebot zurücknehmen. Dann stand er langsam auf und trat ins Licht, seitlich zum Feuer gedreht, wo das trübe Licht der Kohlen seine Gesichtszüge erhellte.
    Der erste Eindruck war schiere Größe. Der Herzog war zwar nicht der größte Mann, den sie je gesehen hatte, auch nicht der kräftigste, aber seine Präsenz erfüllte den Raum, so dass er in einer Weise aufragte, wie es ihr größer gewachsener Bruder nie vermocht hätte. Sie richtete sich reflexhaft auf und sah ihm geradewegs in die Augen.
    Aus seiner bemerkenswerten Stimme zu schließen, hatte sie gleichermaßen eindringliche Augen erwartet – ein strahlendes Blau oder ein Smaragdgrün, vielleicht noch ein stählernes Grau. Aber dem war nicht so. Seine Augen waren von einer gedämpften, schlammigen Farbe, braun oder moosgrün oder irgendwo dazwischen, und einen Moment lang war sie beinahe enttäuscht. Doch dann zog er eine Braue hoch, forderte ihren kühnen Blick heraus, und ein herber, glimmender Humor erhellte seine Augen. Victoria wusste jetzt, dass eine atemberaubende Farbe nur oberflächliches Beiwerk gewesen wäre, das von der kontrollierten Kraft ablenkte, die jede Faser seines Körpers durchdrang.
    Sein Gesicht war kühn und markant – fast schon ungehobelt, als habe man es blind aus Stein gemeißelt -, aber der Mangel an patrizierhafter Zierlichkeit machte ihn nicht unattraktiver. Wie alt er war, ließ sich schlecht schätzen; sicher jünger, als die raue Gesichtshaut es vermuten ließ. Er war nicht von jugendlichen Aknenarben gezeichnet, sondern von einer tieferen Verwitterung, als habe er jahrelang mit ungeschütztem Gesicht in Wind und Sonne gestanden. Dazu eine breite Stirn, ein massives Kinn und ein Körper, der gleichermaßen breit wie sehnig in einem locker fließenden Anzug steckte.
    Gewiss, sein Aussehen war ungewöhnlich, aber es war auch einnehmend, als gäbe es zwischen ihnen beiden eine Verbindung, über die seine kleinsten Regungen ihren Körper tief drinnen antworten ließen. Er kam einen Schritt auf sie zu, und Victoria musste sich zusammennehmen, nicht zurückzuweichen. Als er stehen blieb, reckte sie das Kinn vor.
    »Finde ich Ihre Zustimmung?«, fragte er. Die weiche Zärtlichkeit seiner Stimme hätte nicht zu seinem herben Äußeren passen dürfen, doch irgendwie verband sie Stärke und Anmut, Kraft und Verführung. Bei diesem Mann konnte Victoria es sich nicht leisten, sich eine Blöße zu geben.
    »Es wird reichen«, sagte sie knapp. »Lassen Sie uns einen Vertrag aufsetzen – unterzeichnet und bezeugt -, und die Woche kann beginnen.«
    Raeburn sah sie mit undurchdringlicher Miene einen langen Moment lang an. »Einen Vertrag?«, sagte er schließlich. »Wie... vernünftig.«
    Er ließ sie mit der Frage, was das nun zu bedeuten hatte, allein und ging zu einem kleinen Schreibtisch. Er entzündete eine Kerze, holte ein Blatt Papier heraus und fing zu schreiben an. Der farblose Federkiel schwang sich kratzend über die Seite. Er hatte den Kopf über das Blatt gebeugt, und über seinen Kragen fiel altmodisch langes Haar. Im trüben Licht ließ sich unmöglich feststellen, ob es schwarz oder lediglich braun war, aber Victoria hegte den einigermaßen aufregenden Verdacht, dass es dunkel wie die Mitternacht war. Worauf ließ sie sich da ein?
    Er brachte den Text mit einer schwungvollen Linie zu Ende und löschte die Tinte, bevor er Papier und Kerze zu Victoria

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