Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)
Reflexionen im Glas nach draußen auf den dunklen, verregneten Hof zu sehen. Sie konnte nur undeutliche Schatten ausmachen – die lange Auffahrt, die am Pförtnerhaus endete, in der Ferne die undeutliche Silhouette des Dorfs und den dunklen Umriss einer fahrenden Kutsche.
Eine Kutsche? Eine Kutsche, die so spät am Tag noch Raeburn Court verließ? Victoria hatte das dumpfe Gefühl, dass es auf eine Weise mit ihr zu tun hatte, die nichts Gutes verhieß. Sie sah zu, wie der Wagen durch das Tor ratterte und auf die Straße nach Leeds einbog.
Es war zu viel der Hoffnung, dass sie den Duke transportierte, der seine Seite des Vertrags aufgekündigt und ihr als Vertragsstrafe den Sieg eingeräumt hatte. Sie wusste nichts von dem Mann, doch Raeburn schien nicht zu bluffen. Er schien eher der Typ zu sein, der noch den letzten Penny aus einem Geschäft holte. Sie legte bei dem Gedanken die Hand auf den Magen und verspürte den gleichen schwindligen Rausch wie damals, als sie auf der Brüstung balanciert und der Wind plötzlich durch die Bäume gepeitscht war oder wenn sie mit halsbrecherischer Geschwindigkeit über die Felder galoppiert war. Sie sah trübsinnig zu, wie die Kutsche in der Ferne schrumpfte, verschwand und wieder auftauchte, wo sich die Straße senkte und hob.
Es klopfte leise an die Tür. Victoria fuhr auf und drehte sich vom Fenster weg.
»Herein«, rief sie und setzte sich zurecht.
Sie hatte Dyer erwartet und staunte, als eine junge und hübsche brünette Zofe eintrat. Das Mädchen knickste nervös. »Mylady haben geläutet?«
»Ja... wie heißen Sie?«
»Annie, Mylady.«
»Ja, Annie. Was ist mit meiner Kammerzofe?«
Das Mädchen knickste wieder und schluckte schwer. »Ich dachte, Mylady wüssten es...«
Victoria, deren Nerven bereits angespannt waren, verfiel in Ungeduld. »Sie haben gedacht, ich wüsste was?«, fragte sie warm und sacht, um das nervöse Mädchen zu beruhigen.
Es half nichts. Annie zögerte noch eine Weile, bevor es ihr gelang, mit erstickter Stimme zu antworten: »Myladys Zofe ist auf Befehl Seiner Gnaden abgereist. Sie soll in Leeds auf Sie warten.«
Die Kutsche! Dieser anmaßende, herrschsüchtige Bastard! Victoria schoss herum und starrte durch ihr Spiegelbild aus dem Fenster, doch die Straße zog sich lang und verlassen durch den dunkler werdenden, regnerischen Abend vor ihrem Fenster. Allein!
Es blitzte, und ein Donnerschlag erschütterte ganz in der Nähe den Himmel. Die übertriebene Melodramatik amüsierte sie trotz allem noch, und die Wut, die sie fast schon zu überwältigen gedroht hatte, erstarb zu einem Simmern. Sie drehte sich wieder zu der Zofe um und zog eine Augenbraue hoch. »Ich verstehe. Und wer soll sich jetzt bitte um mich kümmern?«
»Ich, Mylady.« Gerade, dass das Mädchen nicht wimmerte.
Victoria sah es lange an, dann seufzte sie. »Dann kommen Sie, und helfen Sie mir, mich anzukleiden. Und hören Sie auf, so zu zittern. Ich fresse Sie schon nicht bei lebendigem Leib auf.«
Annie sah sie verunsichert an und entspannte sich erst, als Victoria verspätet einfiel, dass sie die Bemerkung nicht, wie beabsichtigt, mit einem tröstlichen Lächeln begleitet hatte, und es ihr gelang, eines aufzusetzen.
»Gewiss«, sagte Annie. »Abendessen ist um neun, Mylady.«
Victorias Lächeln erstarrte, während sie im Fenster ihr bleiches Spiegelbild betrachtete. »Zwei Stunden sind mehr als genug Zeit, mich präsentabel herzurichten.«
Wenn der Duke of Raeburn eine verknöcherte alte Jungfer haben wollte, dann würde er auch eine verknöcherte alte Jungfer bekommen.
3. Kapitel
Was, zur Hölle, hatte er sich dabei gedacht?
Byron saß in der Dunkelheit des Teak-Salons und widmete sich seinem Scotch sowie der wachsenden Überzeugung, gerade den größten Fehler seines Lebens gemacht zu haben. Er ließ die Taschenuhr aufspringen. Es war eine halbe Stunde her, dass er dem letzten Dienstboten Instruktionen erteilt hatte – und über eine Stunde, dass er Lady Victoria auf ihr Zimmer geschickt hatte. Inzwischen flatterte sie entweder vor Nervosität, kochte vor Wut oder litt an einer Kombination aus beidem. Und er hätte sich, so wie die Dinge lagen, diebisch freuen müssen.
Aber ihm war nicht nach diebischer Freude. Genau genommen hegte er Zweifel.
Warum hatte er nicht an seinem Plan festgehalten? Er war ein einfallsreicher Mann. Auch wenn der ursprüngliche Plan fehlgeschlagen war, hätte er gewiss einen Weg gefunden, Gifford für mindestens ein Dutzend Jahre
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