Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Red Rabbit: Roman

Red Rabbit: Roman

Titel: Red Rabbit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
Vom Netzwerk:
Sonnengottes oder sonst wer gewesen sei. Vielmehr, dachte Juri Wladimirowitsch, war es doch wohl so, dass die Höflinge ihren König Ramses seiner vielen Frauen wegen bewundert hatten sowie wegen der überaus zahlreichen Nachkommenschaft und des schönen, privilegierten Lebens. Ein modernes Äquivalent dazu waren eine Datscha in den Lenin-Hügeln und Sommerferien am Strand von Sotschi. Hatte sich von damals bis heute so viel verändert?

    Wohl kaum, befand der Vorsitzende des Komitees für Staatssicherheit. Und es gehörte zu seinen Pflichten, dafür zu sorgen, dass sich auch weiterhin nicht allzu viel veränderte.
    Doch dieser Brief ließ Veränderungen befürchten. Er war eine Bedrohung, der er irgendwie begegnen musste. Das heißt, er musste gegen den Urheber vorgehen.
    Das war schon einmal versucht worden. Beim zweiten Mal mochte es endlich klappen.
    Andropow aber sollte nicht mehr lange genug leben, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass er mit diesem Entschluss eine Bewegung in Gang setzte, die den Untergang des von ihm mitgetragenen Regimes zur Folge hatte.

1. Kapitel
VORAHNUNGEN UND TRÄUME
    »Wann fängst du an, Jack?«, fragte Cathy und legte sich zu ihm ins Bett.
    Er war froh, dass es sein eigenes Bett war. So luxuriös das New Yorker Hotel auch gewesen sein mochte, es war und blieb ihm fremd, und überhaupt hatte er genug von seinem Schwiegervater, seiner Penthouse-Wohnung an der Park Avenue und seiner schrecklich aufgeblasenen Art. Okay, Joe Miller hatte gut neunzig Millionen auf der Bank und in diversen Depots, ein Vermögen, das unter der neuen Präsidentschaft noch kräftig zunahm, aber es reichte jetzt langsam.
    »Übermorgen«, antwortete er. »Ich will nach der Mittagspause mal kurz vorbeischauen, nur um mir einen ersten Überblick zu verschaffen.«
    »Du solltest ein bisschen Schlaf nachholen«, sagte sie.
    Genau da saß der Haken, wenn man mit einer Ärztin verheiratet war, dachte Jack so manches Mal. Einer solchen Frau ließ sich nicht viel verheimlichen. Sie hatte mit einer sanften Handberührung Körpertemperatur, Pulsfrequenz und wer weiß was noch erfasst, ließ aber von ihrer Diagnose genauso wenig durchblicken wie ein Pokerprofi von seinem Blatt.
    »Ja, es war ein langer Tag.« In New York war es gerade erst kurz vor fünf am Nachmittag, doch sein »Tag« hatte um einiges länger gedauert als normale vierundzwanzig Stunden. Es wäre wirklich besser, wenn er lernen würde, im Flugzeug zu schlafen. Nicht, dass er unbequem gesessen hätte. Er hatte das vom Staat bezahlte Ticket zu einem Ticket für die erste Klasse umgetauscht und die Differenz
aus eigener Tasche dazugezahlt, aber das würde er durch die Vielflieger-Bonuspunkte schon bald wieder zurückgewonnen haben. Großartig, dachte Jack. Auf den Flughäfen von Heathrow und Dulles war er demnächst bestimmt bekannt wie ein bunter Hund. Nun, immerhin hatte er einen neuen schwarzen Diplomatenpass, blieb also vor den üblichen Sicherheitskontrollen und dergleichen verschont. Offiziell war er der US-Botschaft Grosvenor Square in London zugeteilt, gleich gegenüber jenem Gebäude, in dem Eisenhower während des Zweiten Weltkriegs ein eigenes Büro unterhielt. Seinem diplomatischen Status verdankte Ryan eine Reihe von Vollmachten, die ihn über die Gesetze stellten und gewissermaßen zum Supermann machten. Er würde jetzt ein Kilo Heroin nach England schmuggeln können, und die Zollbeamten dürften seine Koffer ohne sein Einverständnis nicht einmal berühren. Mit dem Hinweis auf seine Sonderrechte als Diplomat und dem Vorwand, in Eile zu sein, würde er ihnen dieses Einverständnis einfach vorenthalten können. Es war ein offenes Geheimnis, dass sich Diplomaten über kleinliche Zollpflichten stets hinwegsetzen – was selbst nach Ryans katholischen Moralbegriffen eine allenfalls lässliche Sünde war und somit verzeihlich.
    Das typische Durcheinander in einem übermüdeten Kopf, dachte er. Cathy würde es sich nie erlauben, in einem solchen Zustand ihre Arbeit auszuüben. Allerdings hatte sie als Ärztin im Praktikum endlose Stunden ununterbrochen Dienst tun müssen – weil sie unter anderem auch lernen sollte, wichtige Entscheidungen unter Stress zu treffen –, und Jack fragte sich, wie viele Patienten wohl im Zuge solcher Ausbildungspraktiken schon zu Schaden gekommen waren. Wenn ein pfiffiger Anwalt dahinterkäme, wie sich da Geld herausschlagen ließe …
    Cathy – auf dem Plastikschild an ihrem weißen Kittel stand: Dr. Caroline

Weitere Kostenlose Bücher