Red Rabbit: Roman
Solidarnosc-Geschichte macht ihnen jedenfalls schwer zu schaffen«, berichtete der DDO.
»Am Ende wird ihnen Moskau diktieren, was zu tun ist«, pflichtete Greer bei. »Aber auch Moskau weiß nicht weiter.«
Moore setzte seine Lesebrille ab und rieb sich die Augen. »Tja, wenn man ihnen offen die Stirn bietet, sind sie ratlos. Stalin hätte alles kurzerhand niedergemacht, aber der jetzigen Riege fehlt dazu die Chuzpe – dem Himmel sei Dank.«
»Im Kollektiv zu regieren kehrt bei den Einzelnen die Feigheit hervor, und Breschnew hat einfach nicht mehr das Zeug zum Führen. Nach dem, was man so hört, muss er sich sogar auf dem Weg zur Toilette an die Hand nehmen lassen.« Das war natürlich leicht übertrieben, aber es gefiel Ritter, über eine schwächelnde sowjetische Regierung Witze zu reißen.
»Was hat uns KARDINAL zu vermelden?« Moore bezog sich auf den CIA-Spitzenagenten im Kreml, die rechte Hand des Verteidigungsministers Dimitri Fedorowitsch Ustinow. Sein Name lautete Michail Semjonowitsch Filitow, doch für die wenigen eingeweihten Männer vom CIA war er schlicht und einfach der KARDINAL.
»Seinen Worten nach hat Ustinow die Hoffnung aufgegeben, dass das Politbüro irgendetwas Sinnvolles hervorbringen könnte, ehe nicht ein anderer an der Spitze steht. Leonid ist seinem Amt nicht mehr gewachsen. Das weiß jeder, auch der Mann auf der Straße. Fernsehbilder lassen sich schlecht beschönigen.«
»Wie lange wird er’s noch machen?«
Allgemeines Schulterzucken. Dann antwortete Greer: »Ich hab mit Ärzten gesprochen. Die sagen, es könnte sein, dass er schon morgen tot umfällt oder noch ein paar Jahre vor sich hin siecht. Er leidet allem Anschein nach an einer fortschreitenden kardiovaskulären Myopathie, wahrscheinlich verschärft durch Alkoholismus.«
»Das Problem haben sie alle«, bemerkte Ritter. »Übrigens kann KARDINAL beides bestätigen: Herzklappern und Suff.«
»Dann wird wohl auch die Leber nicht mehr ganz auf der Höhe sein«, sagte Greer.
Judge Moore bemerkte abschließend zu diesem Thema: »Einem Bären zu verbieten, in den Wald zu scheißen, wäre ebenso sinnlos wie der Versuch, Russen ihren Wodka madig zu machen. Was sie am Ende scheitern lässt, ist weniger der Suff als ihre Unfähigkeit, einen geordneten Machtwechsel zu vollziehen.«
»Haben die denn keine Anwälte?« Bob Ritter grinste hämisch. »Vielleicht sollten wir ihnen ein paar hunderttausend von unseren zukommen lassen.«
»So dumm sind sie auch wiederum nicht«, entgegnete der DDI. »Feuern wir lieber ein paar Raketen auf sie ab. Die richten nicht ganz so viel gesellschaftlichen Schaden an.«
»Womit hat meine Zunft so viel Spott und Schelte verdient?«, stöhnte Moore mit zur Decke gerichtetem Blick. »Wenn deren System überhaupt noch zu retten ist, so nur durch einen Anwalt, meine Herren.«
»Glauben Sie das wirklich, Arthur?«, fragte Greer.
»Für eine vernünftige Gesellschaft ist das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit unabdingbar, und die kommt ohne Anwälte nicht aus.« Moore war Richter am Obersten Gerichtshof des Staates Texas gewesen. »Von diesem Prinzip sind die Russen noch weit entfernt. Über Recht und Unrecht entscheidet nach wie vor das Politbüro, und wer ihm nicht passt, wird ruck, zuck kriminalisiert. Schrecklich, unter solchen Verhältnissen leben zu müssen, der Willkür preisgegeben. Wie im alten Rom unter Caligula, der jeden noch so schrägen Einfall zur Maxime erhob. Ach was, selbst in Rom gab es Gesetze, an die sich auch ein Kaiser zu halten hatte. Aber das ist bei unseren russischen Freunden nicht der Fall.« Die anderen konnten kaum ermessen, wie schrecklich diese Vorstellung für ihren Direktor war. Er hatte sich in einem Bundesstaat, der hinsichtlich seiner Rechtsprechung als vorbildlich galt, schon als Strafverteidiger einen Namen gemacht, ehe er in den Richterstand wechselte. Für die meisten Amerikaner war Rechtsstaatlichkeit so selbstverständlich und unverzichtbar wie das Regelwerk für Baseball-Spiele. Was Ritter und Greer aber am meisten an Moore schätzten, war, dass er noch vor seiner Karriere als Jurist ein außerordentlich erfolgreicher Agent für besondere Einsätze gewesen war. »Also, was zum Kuckuck soll ich jetzt dem Präsidenten sagen?«
»Die Wahrheit«, schlug Greer vor. »Wir wissen nichts, weil sie nichts wissen.«
Das war die einzig vernünftige Antwort, natürlich, und doch… »Verflucht, Jim, wir werden dafür bezahlt, dass wir Bescheid wissen!«
»Es läuft
Weitere Kostenlose Bücher