Red Rabbit: Roman
mittags mit dem Zug nach Budapest ab.«
»Kiew-Bahnhof«, sagte Haydock und nickte. »Und Sie wollen, dass ich ein Foto von Mrs Rabbit schieße.«
»Genau.«
»In Ordnung, das lässt sich machen.« Das Räderwerk setzte sich erneut in Bewegung. Als Handelsattaché konnte er sich bestimmt eine glaubwürdige Geschichte ausdenken, um an das Foto zu kommen, überlegte Haydock. Er würde einen befreundeten
Reporter mitnehmen und es so aussehen lassen, als arbeiteten sie an einer Story, vielleicht an etwas über Tourismus. Paul Matthews von der Times würde bestimmt mitspielen. Kein Problem. Und Matthews sollte einen Fotografen mitbringen, der von der Rabbit-Familie professionelle Fotos machte, die London und Langley verwenden konnten. Der Iwan würde bestimmt keinen Verdacht schöpfen. Wie wichtig Rabbits Informationen auch sein mochten, er selbst war nur eine kleine Nummer, einer von unzähligen KGB-Mitarbeitern, nicht wichtig genug, als dass man groß Notiz von ihm nahm. Gleich am nächsten Morgen würde Haydock die staatliche russische Eisenbahngesellschaft anrufen und mitteilen, dass die britische Eisenbahn – die ebenfalls staatlich war – Interesse daran hätte zu erfahren, wie die Russen ihre Eisenbahn betrieben, und so … ja, das konnte funktionieren. Es gab nichts, was die Russen mehr liebten, als wenn andere von ihrem glorreichen System etwas lernen wollten. Gut für ihr Ego. Nigel drehte das Wasser ab.
»So, ich glaube, jetzt ist er in Ordnung, Edward.«
»Vielen Dank. Wissen Sie, wo man in Moskau gutes Werkzeug kaufen kann?«
»Keine Ahnung, Ed. Mein ganzes Werkzeug stammt von zu Hause. Damit hat schon mein Vater hantiert.«
Das erinnerte Foley daran, was mit Nigels Vater passiert war. Ja, er hoffte von ganzem Herzen, dass der Operation BEATRIX Erfolg beschieden war. Er wollte gern jede Gelegenheit ergreifen, um dem Bären einen kräftigen Tritt in seinen haarigen Arsch zu geben. »Wie geht’s Penny?«
»Das Baby hat sich noch nicht gemuckst. Es wird sich wohl erst in einer Woche endgültig drehen, vielleicht ein bisschen später. In drei Wochen soll es dann endlich so weit sein, aber …«
»Aber das können die Ärzte nie so genau ausrechnen«, erklärte Ed. »Wann wollen Sie nach Hause fliegen?«
»In etwa zehn Tagen. Das hat uns der Botschaftsarzt geraten. Der Flug dauert nur zwei Stunden.«
»Ihr Arzt ist ein Optimist, Nigel. So was verläuft nie nach Plan. Ich schätze, der kleine Engländer soll doch nicht in Moskau zur Welt kommen, oder?«
»Nein, Edward, das bestimmt nicht.«
»Passen Sie nur auf, dass Penny nicht aufs Trampolin klettert«, sagte Foley augenzwinkernd.
»Klar, mach ich.« Die Amerikaner hatten wahrhaftig einen ziemlich eigenen Humor, dachte Nigel.
Könnte interessant werden, dachte Foley, als er den Nachbarn zur Tür begleitete. Bislang war er irgendwie immer davon ausgegangen, dass britische Kinder erst im Alter von fünf Jahren zur Welt kamen und dann sofort auf ein Internat geschickt wurden. Zogen die Engländer womöglich ihre Kinder genauso auf wie die Amerikaner? Nun, das würde er noch früh genug sehen.
Auf die Leiche von Owen Williams erhob niemand Anspruch. Wie sich herausstellte, gab es keine direkten Verwandten, und seine Ex-Frau zeigte keinerlei Interesse an ihm, schon gar nicht an ihm als Toten. Die örtliche Polizei legte die Leiche nach Erhalt eines Telex von Chief Superintendent Patrick Nolan von der Londoner Metropolitan Police in einen Aluminiumsarg, der in einen Lieferwagen der Polizei verladen und Richtung Süden nach London gefahren wurde. Jedenfalls schien es zunächst so. Doch der Lieferwagen hielt an einem vorher vereinbarten Ort, und der Aluminiumsarg wurde in einen anderen, nicht gekennzeichneten Wagen umgeladen und setzte darin seinen Weg in die Stadt fort. Schließlich landete er in einer Leichenhalle im Bezirk Swiss Cottage im Norden Londons.
Die Leiche befand sich in keinem guten Zustand, denn bisher hatte kein Bestatter Gelegenheit gehabt, sie etwas herzurichten. An der nicht verbrannten Unterseite des Körpers waren bläulich rote Totenflecken zu sehen. Sobald das Herz aufhört zu schlagen, sammelt sich das Blut aufgrund der Schwerkraft in den zuunterst liegenden Regionen des Körpers – in diesem Fall am Rücken –, wo es, da es kaum noch Sauerstoff enthält, die Haut blassblau verfärbt, während der restliche Körper eine wächserne Farbe annimmt. Der Leichenbestatter war ein Zivilist, der gelegentlich für den
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