Red Rabbit: Roman
konnte, was für ein Gefühl es war, in der Oberliga mitzuspielen.
Istvan Kovacs wohnte in der Nähe des Budapester Parlamentsgebäudes – einem reich verzierten Prachtbau, der an den Westminster-Palast erinnerte –, und zwar im zweiten Stock eines Mietshauses aus der Zeit der Jahrhundertwende, dessen vier Toiletten sich in einem ausnehmend trostlosen Hinterhof befanden. Hudson nahm die U-Bahn zum Regierungspalast und ging dann den Rest des Weges zu Fuß, wobei er sich vergewisserte, dass ihm niemand folgte. Er hatte sich telefonisch angemeldet – bemerkenswerterweise wurden die Telefonleitungen dieser Stadt nicht abgehört, was allerdings primär auf die Ineffizienz der lokalen Telefondienste zurückzuführen war, die eine Kontrolle unmöglich machte.
Kovacs sah so typisch ungarisch aus, dass er in den Informationsbroschüren für Touristen hätte abgebildet werden müssen, wenn es denn solche gegeben hätte: Er war etwa über eins siebzig groß, hatte eine dunkle Gesichtsfarbe, ein rundes Gesicht und schwarze Haare. Aber dank seines lukrativen Gewerbes war er besser gekleidet als der Durchschnittsbürger. Kovacs war Schmuggler. Und das galt in diesem Land fast als ehrenwerter Beruf, da er Waren über die Grenze eines vorgeblich marxistischen Landes im Süden, nämlich Jugoslawien, schmuggelte. Die Grenzen dieses Landes waren relativ offen, sodass ein cleverer Mann dort Waren aus dem Westen einkaufen und in Ungarn und anderen Ländern Osteuropas wieder verkaufen konnte. Die Kontrollen in Jugoslawien waren nicht sonderlich streng, vor allem für jene nicht, die ein privates »Abkommen« mit den Grenzsoldaten getroffen hatten. Wie Kovacs.
»Hallo, Istvan«, sagte Andy Hudson lächelnd. »Istvan« war die hiesige Entsprechung von Stefan, und der Familienname »Kovacs« so häufig wie Smith, eben ein Allerweltsname.
»Andy, einen schönen guten Tag wünsche ich Ihnen«, grüßte Kovacs. Er öffnete eine Flasche Tokajer, dem dunklen ungarischen Likörwein. Hudson hatte sich inzwischen an diese hiesige Variante des Sherrys gewöhnt, die zwar anders schmeckte, jedoch den gleichen Zweck erfüllte.
»Danke, Istvan.« Hudson trank einen Schluck. Das war ein guter Tropfen. Die sechs mit edelfaulen Beeren gefüllten Butten auf dem Etikett zeichneten ihn als einen besonders edlen Wein aus. »Und, wie läuft das Geschäft?«
»Hervorragend. Unsere Videorekorder sind bei den Jugoslawen beliebt, und die Kassetten, die sie mir verkaufen, sind bei jedermann beliebt. Ja, wenn man so einen Schwanz hätte wie diese Schauspieler!« Er lachte.
»Die Frauen sind auch nicht schlecht«, warf Hudson ein. Er hatte sich bereits genug von diesen Kassetten ansehen müssen.
»Wie kann eine kurva nur so schön sein?«
»Die Amerikaner zahlen ihren Huren mehr als wir in Europa, schätze ich. Aber, Istvan, diese Frauen haben kein Herz.« Hudson hatte noch nie in seinem Leben dafür bezahlt – zumindest nicht direkt.
»Ich will ja auch nicht ihr Herz.« Kovacs lachte wieder schallend. Er hatte dem Tokajer bereits kräftig zugesprochen, also würde er in dieser Nacht wohl keine Geschäfte mehr tätigen. Nun ja, niemand arbeitete rund um die Uhr.
»Ich hätte da vielleicht was für Sie.«
»Was wollen Sie denn reinbringen?«
»Nichts. Etwas rausbringen«, erklärte Hudson.
»Das ist einfach. Mit dem határ rség gibt’s nur bei der Einreise Probleme, und selbst dann keine großen.« Er hob seine rechte Hand und rieb Daumen und Zeigefinger aneinander, die universelle Geste für das, was alle Grenzsoldaten wollten – Geld oder etwas zum Tauschen.
»Tja, dieses Paket könnte allerdings etwas unhandlich sein«, wandte Hudson ein.
»Inwiefern unhandlich? Wollen Sie etwa einen Panzer rausschaffen?« Die ungarische Armee hatte gerade eine Lieferung neuer russischer T-72 in Empfang genommen, und das war im Fernsehen gezeigt worden, um den Kampfgeist der Truppen zu stärken. Reine Zeitverschwendung, dachte Hudson. »Das könnte schwierig werden, wäre aber auch drin, wenn der Preis stimmt.« Die Polen hatten bereits einen solchen Panzer an den SIS geliefert, was allerdings nur wenigen bekannt war.
»Nein, Istvan, etwas Kleineres. Etwa meine Größe, dafür aber drei Pakete dieser Art.«
»Drei Leute?«, fragte Kovacs, erhielt jedoch als Antwort nur einen ausdruckslosen Blick. Er verstand. »Bah, das ist einfach – baszd meg !«, schloss er, was so viel hieß wie »Scheiß drauf«.
»Ich dachte mir schon, dass ich auf Sie
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