Red Rabbit: Roman
es gleichgültig, wo er sich aufhielt, denn er war sowieso mit dem SIS fest durch eine elektronische Nabelschnur verbunden.
So war er auch an diesem Morgen informiert worden. Irgendjemand im Century House hatte entschieden, ihn wissen zu lassen, dass dem SIS nun die Leiche eines erwachsenen Mannes zur Verfügung stand, die sich für Operation BEATRIX eignete. Allerdings brauchten sie drei Leichen, darunter die eines kleinen Mädchens – und das war nun wirklich nicht gerade das, worüber Sir Basil bei Morgentee und Haferschleim nachdenken mochte.
Die Operation BEATRIX war allerdings auch für ihn schon längst kein Routinefall mehr. Denn wenn dieses Rabbit die Wahrheit sagte – und das taten beileibe nicht alle –, hatte er alle möglichen nützlichen Informationen in seinem Kopf gespeichert. Und am besten wäre es natürlich, wenn er Informationen besaß, mit deren Hilfe sich sowjetische Spione innerhalb der Regierung Ihrer Majestät enttarnen ließen. Denn dies war die eigentliche Aufgabe des Security Service, der irrtümlicherweise MI-5 genannt wurde, wenngleich beide Geheimdienste eng zusammenarbeiteten, viel enger als das FBI und die CIA in Amerika. Jedenfalls schien es Charleston so. Sir Basil und seine Leute hegten seit langem den Verdacht, dass irgendwo im Außenministerium auf höchster Ebene ein Spitzel saß, doch waren sie bisher nicht in der Lage gewesen, ihn zu identifizieren. Wenn sie also ihr Rabbit heil rausbekamen – was so lange nicht der Fall war, bis es sicher hier angekommen war, ermahnte sich Charleston –, war dies sicherlich eine der ersten Fragen, die seine Leute ihm stellen würden, und zwar in jenem gut geschützten Haus unweit von Taunton in der hügeligen Landschaft von Somerset, das nicht zuletzt gerade für solche Zwecke genutzt wurde.
»Gehst du heute nicht zur Arbeit?«, fragte Irina ihren Mann. Mittlerweile hätte er sich bereits auf dem Weg ins Büro befinden müssen.
»Nein. Und ich habe eine Überraschung für dich«, verkündete Oleg.
»Und die wäre?«
»Wir fahren morgen nach Budapest.«
Sie wirbelte herum. »Was?«
»Ich habe beschlossen, meinen Urlaub zu nehmen, und ein neuer Dirigent, Jozsef Rozsa, kommt nach Budapest. Ich weiß doch, wie sehr du klassische Musik liebst, mein Schatz, und so habe ich gedacht, ich fahre mit dir und zaichik hin.«
»Oh« war alles, was sie herausbrachte. »Aber was ist mit meiner Arbeit im GUM?«
»Kannst du nicht freinehmen?«
»Na ja, ich denke schon«, gab Irina zu. »Aber warum gerade Budapest?«
»Nun, zum einen wegen der Musik und zum anderen, weil wir dort ein paar schöne Sachen einkaufen können. Ich habe schon eine ganze Liste von Dingen, die ich für die Leute in der Zentrale besorgen soll«, sagte er.
»Hm … wir könnten ein paar hübsche Kleider für Swetlana kaufen«, überlegte Irina laut. Da sie im GUM arbeitete, wusste sie, was man in Ungarn bekommen konnte, in Moskau aber vergeblich suchte, selbst in den Devisenläden. »Wer ist dieser Rozsa eigentlich?«
»Ein junger ungarischer Dirigent, der durch Osteuropa tourt. Er hat einen hervorragenden Ruf, Schatz. Auf dem Programm stehen Brahms und Bach, glaube ich jedenfalls. Und es spielt eines der ungarischen Staatsorchester. Und«, bestätigte er noch einmal, »natürlich gehen wir auch einkaufen.« Es gab wohl auf der ganzen Welt keine Frau, die sich eine solche Gelegenheit entgehen lassen würde, dachte Oleg. Geduldig wartete er auf den nächsten Einwand.
»Ich habe nichts anzuziehen.«
»Mein Schatz, deshalb fahren wir ja nach Budapest. Dort kannst du dir alles kaufen, was du brauchst.«
»Nun …«
»Und sieh zu, dass all unser Gepäck in eine Tasche passt. Wir nehmen dann noch leere Taschen für die Sachen mit, die wir für uns und unsere Freunde kaufen.«
»Aber …«
»Irina, stell dir Budapest einfach wie ein einziges gigantisches Kaufhaus vor. Ungarische Videorekorder, Jeans und Strumpfhosen aus dem Westen, richtiges Parfüm… Du wirst von deinen Kolleginnen beneidet werden«, versprach er.
»Na ja …«
»Mein Schatz, wir fahren in Urlaub!«, sagte er mit Nachdruck, wie es sich für den Mann im Haus gehörte.
»Wenn du meinst«, gab sie nach, konnte aber ein erwartungsvolles Funkeln in ihren Augen nicht verbergen. »Ich rufe später im Büro an und sage Bescheid. Ich denke, sie werden mich nicht allzu sehr vermissen.«
»Die einzigen Leute, die man in Moskau vermisst, sind Mitglieder des Politbüros, und das auch nur für
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