Red Rabbit: Roman
nicht sicher«, gab Prince zu. »Meine Informanten sagen, sie wüssten es nicht.«
»Ich dachte, er hätte eine sehr enge Beziehung zu einem anderen Michail, diesem Alexandrow, gehabt«, warf Foley als Köder aus. Er wollte sehen, ob Prince’ Kontakte so gut waren, wie er annahm. Die sowjetische Führung liebte es, mit westlichen Reportern ihre Spielchen zu treiben. In Washington war das anders, da Reporter dort Politiker unter Druck setzen konnten. Doch das traf hier nicht zu. Die Mitglieder des Politbüros hatten keine Angst vor Reportern – es war eher umgekehrt.
Prince’ Kontakte waren anscheinend doch nicht so gut, denn er sagte: »Vielleicht, ich bin mir nicht sicher. Was wird denn hier so geredet?«
»Ich war noch nicht in der Kantine, Tony, habe also noch nicht gehört, welche Gerüchte kursieren«, parierte Foley. Du erwartest doch nicht wirklich von mir, dass ich dir einen Tipp gebe, oder?
»Nun, morgen oder übermorgen werden wir’s wissen.«
Aber du würdest gut dastehen, wenn du der erste Reporter wärst, der eine Prognose abgibt, und du willst, dass ich dir dabei helfe, nicht wahr? Nie im Leben, dachte Foley. Doch dann überlegte er. Prince würde sicherlich nie zu seinen Freunden zählen, aber er konnte vielleicht einmal nützlich sein, und es war nie klug, sich aus Lust und Laune Feinde zu machen. Andererseits, wenn er sich diesem Typen gegenüber zu hilfreich zeigte, nahm dieser womöglich an, Foley sei ein Agent oder kenne zumindest Agenten. Und Tony Prince gehörte zu den Typen, die gern redeten und sich vor anderen damit brüsteten, wie clever sie doch seien… Nein, es war besser, wenn Prince glaubte, er sei dumm, dachte Foley.
»Wissen Sie, was? Ich werde mich mal umhören, was die anderen so denken.«
»Das ist nett, danke.« Nicht dass ich von Ihnen erwartet hätte, etwas Nützliches zu erfahren, dachte Prince ein wenig zu laut.
Er war nicht so geschickt darin, seine Gefühle zu verbergen, wie er glaubte. Kein guter Pokerspieler, dachte der COS, als er ihn zur Tür begleitete. Dann sah er auf die Uhr: Zeit fürs Mittagessen.
Wie die meisten europäischen Bahnhöfe war auch der Kiew-Bahnhof in einem hellen Gelb gehalten – und auch wie viele alte herrschaftliche Paläste. Als sei senffarben zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts in Europa bei einigen Königen in Mode gekommen und alle Fürsten hätten in dem Bestreben, ihnen nachzueifern, ihre Paläste in dieser Farbe streichen lassen. Gott sei Dank bildete Großbritannien hier eine Ausnahme, dachte Haydock. Die Decke des Bahnhofs bestand aus von Stahlrahmen eingefasstem Glas, damit Licht hereinkam, doch wie in London wurden die Glasscheiben nur selten, wenn überhaupt geputzt und waren daher mit einer dicken Schicht aus Ruß bedeckt, der noch aus den mit Kohle beheizten Kesseln längst vergangener Dampfloks stammte.
Die Russen bevölkerten mit ihren billigen Koffern die Bahnsteige, und es war selten einer allein. Sie kamen meist mit der ganzen Familie, selbst wenn nur einer wegfuhr, sodass man rührende Abschiedsszenen erleben konnte, mit leidenschaftlichen Küssen von Mann zu Frau und Mann zu Mann, was Engländer immer besonders seltsam anmutete. Doch das war hier eben so Brauch. Der Zug nach Kiew, Belgrad und Budapest sollte pünktlich um 13:00 Uhr abfahren, und die russische Eisenbahn hielt, ebenso wie die Moskauer Metro, ihren Fahrplan ziemlich genau ein.
Nur einige Meter entfernt plauderte Paul Matthews mit einem Vertreter der staatlichen sowjetischen Eisenbahn über den Antrieb der Loks – alle Loks wurden elektrisch betrieben, seit Genosse Lenin beschlossen hatte, in der UdSSR die Elektrizität einzuführen und die Läuse auszurotten, wobei Ersteres seltsamerweise einfacher gewesen war als Letzteres.
Der Zug auf Gleis drei wurde von einer wuchtigen, aus zweihundert Tonnen Stahl bestehenden VL80T-Lokomotive gezogen und bestand aus drei Großraumwagen mit Sitzreihen, einem Speisewagen und sechs Schlafwagen Internationaler Klasse sowie drei Postwaggons, die direkt hinter der Lokomotive angekoppelt waren.
Auf dem Bahnsteig standen Zugführer und Aufseher mit einem verdrießlichen Gesichtsausdruck herum.
Haydock sah sich um. Er hatte die Fotos von Rabbit und seinem Häschen im Gedächtnis gespeichert. Laut Bahnhofsuhr war es Viertel nach zwölf, ebenso auf seiner Armbanduhr. Würde das Rabbit auftauchen? Persönlich zog Haydock es vor, immer etwas früher am Bahnhof oder auf dem Flughafen zu sein, was vielleicht in
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